Ihre Siegermentalität ist gegen die Schweiz gefragt: Angelique Kerber Foto:  

Nach ihrem großen Erfolg in Melbourne wartet auf Tenniskönigin Angelique Kerber eine schwere Prüfung im Fedcup. An diesem Wochenende treffen die deutschen Tennisdamen in der ersten Runde auf die Schweiz – und das als leichter Außenseiter.

Leipzig - Staatsempfänge gibt es auf dem Flughafen Posen-Ławica so gut wie nie. Auf dem sechstgrößten Airport in Polen geht es eigentlich ruhig zu. Auch am vergangenen Montag. Nur kurzzeitig wird die geschäftsmäßige Ruhe im Ankunftsterminal unterbrochen. 40 Fotografen, Journalisten und Kameraleute springen hektisch auf, rennen in Richtung der ankommenden Passagiere. Es ist ein großer Empfang für eine Frau, die gerade mit der Maschine aus Frankfurt gelandet ist:Angelique Kerber, die neue deutsche Tenniskönigin mit polnischen Wurzeln.

Gleich nach ihrem Triumph bei den Australian Open hat es die 28 Jahre alte Linkshänderin aus Kiel nach Polen gezogen. Zu Oma Maria und Opa Janusz Rzeznik. In der Kleinstadt Puszczykowo betreiben die eine Tennis-Akademie namens „Angie“. Der Besuch bei den Großeltern war für Kerber ein wichtiges Bedürfnis. Eines, das sie trotz vollen Terminkalenders nicht verschieben wollte. „Meine Oma und mein Opa hatten großen Einfluss auf mich, ohne sie wäre ich nicht hier. Ohne sie hätte ich in Melbourne nicht gewonnen. Sie haben immer an mich geglaubt“, sagt die Weltranglistenzweite.

"Duell gegen die Schweiz wird eine Gratwanderung"

Allerdings: Während Angelique Kerber bei Piroggen – das sind polnische Teigtaschen mit Fleischfüllung – in ihrer zweiten Heimat weilt, bereitet sich das deutsche Fedcup-Team auf die Erstrundenbegegnung gegen die Schweiz vor. Ohne ihren neuen Star. Ohne ihre Nummer eins. Ideal ist das nicht, zumal Kerber erst am gestrigen Dienstagabend zum Team stieß. „Wir würden gerne die nächsten drei Tage mit Angie den Erfolg feiern, aber das geht nicht“, mahnt Barbara Rittner. Die Bundestrainerin weiß: „Das Duell gegen die Schweiz wird eine Gratwanderung. Keine Minute im Match wird einfach werden.“ Auch nicht für die neue Grand-Slam-Heldin.

Das hat zwei Gründe: Zum einen gehen die Eidgenössinnen als Favorit in die Partie. In Belinda Bencic, Elfte der Welt, und Timea Bacsinszky (15.) können sie zwei Topspielerinnen aufbieten. Und in Martina Hingis haben sie die mit Abstand beste Doppelspielerin der Welt in ihren Reihen. Bei den Australian Open holte die 35-Jährige bereits ihren zwölften Major-Titel. Zum anderen ist noch nicht klar, wie Angelique Kerber den ganzen Rummel um ihre Person zuletzt weggesteckt hat. „Natürlich ist das Team gestärkt, wenn eine Grand-Slam-Siegerin dabei ist“, sagt zwar Barbara Rittner, fügt dann jedoch an: „Aber weder Angie noch ich wissen, wie sie den Jetlag und den Medienrummel verkraftet hat.“

Ohnehin kann die frischgebackene Australian-Open-Gewinnerin das Duell gegen die Schweiz nicht im Alleingang gewinnen. Und so wird es auch auf Andrea Petkovic, als Weltranglisten-23. die Nummer zwei im Team, ankommen. Das Problem: Die Darmstädterin versprüht zurzeit außer ihrer stets nach außen getragenen guten Laune wenig Selbstvertrauen. In Melbourne war sie in Runde eins rausgeflogen. Trotzdem sagt Petko: „Die Freude und der Spaß sind wieder da. Der Fedcup ist immer eine unheimliche Motivation für mich, und ich glaube an einen Schub durch diesen Wettbewerb.“

Für Angelique Kerber dürfte sich wenig ändern

Ob die eloquente Hessin allerdings neben ihrer guten Freundin Angelique Kerber überhaupt als zweite Einzelspielerin in der Messestadt zum Einsatz kommt, ist noch offen. Schließlich hat Barbara Rittner in Annika Beck, die in Melbourne erst im Achtelfinale von Kerber gestoppt wurde, eine Option. Das sieht auch Annika Beck so. „Die Trainingswoche wird entscheiden, wer bereit für die Einzel ist“, kündigt die ehemalige Bundesliga-Spielerin des TEC Waldau an.

Es warten also spannende Tage auf die Auswahl des Deutschen Tennis-Bundes (DTB). Wobei sich für Angelique Kerber ja wenig ändern dürfte. Die Kielerin wird weiter unter Dauerbeobachtung stehen – von allen Seiten. Wie auch am Flughafen in Posen. „So langsam kriege ich den Eindruck, dass mich alle jetzt erkennen. Es hat sich so viel geändert durch diesen Finalsieg“, sagt sie und winkt mit ihrem Blumenstrauß in der Hand erneut in eine der unzähligen Kameras. Dennoch versucht Kerber – auch mit Blick auf das wichtige Fedcup-Wochenende – den Druck ein wenig von sich zu nehmen. „Erst einmal habe ich das geschafft, wovon alle Spielerinnen träumen“, betont sie und lächelt dabei: „Ich bin jetzt eine Grand-Slam-Siegerin. Ich muss also niemandem mehr etwas beweisen.“