Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Die rechtsextreme NPD wird nicht verboten. Doch viele Bundespolitiker wollen sich damit nicht zufrieden geben. Foto: Getty Images Europe

1,3 Millionen Steuergelder erhielt die rechtsextreme NPD im Jahr 2015. Dieses Geld steht ihr als Partei zu – doch das Bundesverfassungsgericht verwies jüngst auf die Möglichkeit einer Grundgesetzänderung. Diesen Gedanken greifen nun immer mehr Politiker auf.

Stuttgart - Nachdem das Bundesverfassungsgericht ein Verbot der NPD abgelehnt hat, beginnt nun die Debatte um die Konsequenzen aus dem Urteil. Sowohl im Parlament als auch in den Reihen der Bundesregierung mehren sich Stimmen, die fordern, die ohnehin schwache NPD auf andere Weise ins politische Aus zu befördern. Es wird diskutiert, ihr die Unterstützung durch Steuergelder im Rahmen der Wahlkampfkosten-Erstattung zu streichen.

Tatsächlich ist die Partei weitgehend von diesen Zuschüssen abhängig. So flossen 2015 über 1,3 Millionen Steuergelder in die Kassen der Partei, von der auch die höchsten Richter sagen, dass sie verfassungsfeindliche Ziele verfolge. Das Geld steht ihr gesetzlich zu: Parteien bekommen staatliche Unterstützung, wenn sie bei der Bundestags- oder Europawahl mindestens ein halbes Prozent oder bei einer Landtagswahl ein Prozent der Stimmen erhalten. Für jede ihrer ersten vier Millionen Stimmen ist es ein Euro, für jede weitere Stimme 83 Cent.

Das Verfassungsgericht gibt einen Wink

Im Prinzip dient die Regelung einem guten Zweck: Auch kleinere Parteien sollen eine faire Chance im politischen Wettbewerb haben. Das Verfassungsgericht hat nun aber in seinem Urteil deutlich gemacht, dass der Gesetzgeber prinzipiell freie Hand hätte, die geltende Praxis zu ändern. Dafür allerdings müsste das Grundgesetz geändert werden. Nun mehren sich die Stimmen, genau diesen Weg zu gehen. Sie kommen am lautesten aus zwei Richtungen: von den Bundesländern und der SPD.

Schon am Tag der Urteilsverkündung hatte der bayerische Innenminister Joachim Hermann gefordert, der NPD den Geldhahn abzudrehen. Am Mittwoch legte er noch einmal nach und nannte eine Änderung „zwingend notwendig“. Das sieht auch sein NRW-Amtskollege Ralf Jäger (SPD) so. Mit Verweis auf den Fingerzeig der Verfassungsrichter sagte er: „Diese Chance sollten wir nutzen.“

Finanzierung sei „niemandem zu erklären“

Innerhalb der Bundesregierung machen sich die beiden SPD-Minister Manuela Schwesig (Familie) und Heiko Maas (Justiz) besonders dafür stark. Maas nennt die Steuermittel für die NPD eine „staatliche Direktinvestition in rechtsradikale Hetze“. Und Schwesig sagt knapp, die aktuelle Regelung sei „niemandem zu erklären“.

Diese kritische Sicht auf die derzeitige Gesetzeslage in Sachen Parteienfinanzierung trifft im Bundestag durchaus auf Resonanz. Die SPD dringt auf eine schnelle Reform. Tatsächlich ist rasches Handeln notwendig, wenn noch in der laufenden Wahlperiode etwas geschehen soll. Für eine Grundgesetzänderung muss das Parlament nämlich mit einer Zweidrittel-Mehrheit entscheiden – und auch der Bundesrat muss mit ins Boot, also wenigstens auch die Grünen. Es besteht also einiger Gesprächsbedarf. Christine Lambrecht, die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, sagt, man wäre auch bereit, zur Not mit einem beschleunigten Verfahren zu arbeiten, um das Projekt noch bis zum Sommer durchzubringen.

Kritik von Grünen und Linken

Ob das klappt ist fraglich. Die Euphorie in der Union ist deutlich gedämpfter. Allerdings mit Ausnahmen. Elisabeth Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, sagte unserer Zeitung: „Wir sollten jedes Mittel ergreifen, um der NPD den staatlichen Geldhahn zuzudrehen.“ Es sei „absurd, wenn ein erklärter Feind unserer demokratischen Grundordnung auch noch von uns finanziert wird.“ Meist hört man etwas zögerlichere Töne. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat zwar gesagt, er sei „offen“ für eine Reform. Auch der Fraktionsvize Stephan Harbarth sagte unserer Zeitung, er halte es „für richtig“, wenn der Bundesinnenminister prüfe, unter welchen Bedingungen das Vorhaben realisierbar wäre. Aber er fügt auch die Warnung hinzu, dass die Frage „rechtlich nicht trivial“ sei, „da zwischen nicht verbotenen Parteien nach aktueller Rechtslage Chancengleichheit gelten muss“.

Solche vorsichtigen Töne kommen auch von den Grünen. Renate Künast plädierte für eine „sehr sorgfältige Prüfung“. Das Vorgehen müsse „wasserdicht“ sein, sagte Künast, „sonst ist es eine echte Blamage“. In der Linkspartei ist man sogar noch deutlich ablehnender. Wenn man versuchen würde, einen politischen Konkurrenten so aus dem Weg zu räumen, wäre das „politisch zweifelhaft“, sagt der Innenpolitiker Frank Tempel. Der Vorstoß sei „der falsche Weg“.

Johannes Fechner, der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, kennt die Einwände. Dennoch plädiert er für die Reform. „In der Abwägung ist es die Anstrengung wert“, sagt er.