Seit dem gestrigen Donnerstag stehen für die Mieter der GWG in der Poststraße fünf Dixi-Toiletten zur Verfügung Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Zwei Mal, am vergangenen Sonntag und am Montag, hat es in der Poststraße 48 gebrannt. Seither haben die Mieter kein Wasser und zum Teil auch keinen Strom. Dem Gebäudeeigentümer, der GWG, werfen sie vor, nichts gegen die unhaltbaren Zustände zu unternehmen. Der weist die Vorwürfe zurück.

Stuttgart - Die Stimmung in dem 12-Familien-Haus Nummer 48 in der Poststraße im Stuttgarter Osten ist aufgeheizt. Die Mieter haben innerhalb von zwei Tagen zwei Brände in dem Gebäude, das der Gesellschaft für Wohnungs-und Gewerbebau Baden-Württemberg (GWG) gehört, erlebt und mussten zwei Mal ihre Wohnungen räumen (unsere Zeitung berichtete). Alle Familien konnten zwar wieder in ihre Wohnungen zurückkehren, nachdem das Feuer gelöscht war. Normalität ist in ihren Alltag jedoch noch nicht wieder eingekehrt.

Zum einen liegen die Nerven der Bewohner blank, weil die Feuer, die im Keller ausgebrochen sind, mit hoher Wahrscheinlichkeit von Brandstiftern gelegt worden waren. „Das könnte ja wieder passieren“, fürchtet eine Mieterin. Zum anderen dauern die Folgen an: Vor dem Gebäude liegt noch immer ein Berg angekokelter Kleidung, Schuhe und Elektrogeräte. Im Treppenhaus hängt der Brandgeruch fest. Die GWG hat neben der Haustür ein weißes DIN A-Blatt anbringen lassen. Darauf steht in roten Buchstaben: „WC für die Mieter Poststraße 48.: am Mühlkanal 17“. Der Grund für das Schild: Bei dem zweiten Brand wurden die Wasser- und Abwasserleitungen zerstört, so dass die Mieter seit Montag Abend im wahrsten Sinn des Wortes auf dem Trockenen sitzen.

„Wir machen es wie die Hundebesitzer“

„Wir müssen das Wasser aus einem Brunnen in der Nähe holen, können die Toilette nicht benutzen und weder Wäsche waschen noch uns Duschen, klagt Amir Ali Chowdhuri. Problematisch sei das vor allem, wenn die Kinder oder Erwachsenen nachts auf die Toilette müssen. Wie er da Problem löst? Er hält eine Plastiktüte hoch und sagt mit Galgenhumor: „Wir machen es wie die Hundebesitzer.“ Nicht nur die Chowhduris haben Kinder. Insgesamt leben in dem Gebäude nach Auskunft einer Mieterin etwa zwei Dutzend Kinder zwischen 6 und 15. „Die Toiletten am Mühlkanal 17 sind gut 150 Meter von unseren Wohnungen weg. Da können wir doch nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit mit unseren Kindern hin“, schimpft sie. Außerdem hätten die WC keine Türe.

Statt Wasser zum Waschen aus dem Brunnen zu holen, kaufen es auch einige Mieter im Supermarkt. Aber ob Eimer oder Flasche – das gebrauchte Wasser muss wieder weg gebracht werden, weil auch die Abwasserleitungen nicht mehr funktionieren. Ganz schlimm trifft es Perwin Sen. Die 49-Jährige wohnt im dritten Stock, ist schwer gehbehindert und auf den Rollstuhl angewiesen. Beim Löschen des Feuers ist der Aufzug voll Wasser gelaufen und musste stillgelegt werden. Da sie ohne Fahrstuhl nicht allein aus dem Haus kommt, nutzt es ihr nichts, dass die GWG noch im Lauf des gestrigen Donnerstags fünf Dixi-Klos hat aufstellen lassen. Sie bleibt auf die Hilfe des Sozialdiensts angewiesen. Ihr Eindruck: „Niemand kümmert sich um uns.“

Dixi-Klos seien nicht schneller zu bekommen

Das will die Gesellschaft für Wohnungs- und Gewerbebau Baden-Württemberg so nicht stehen lassen: „Die Dixi-Klos waren nicht schneller zu bekommen“, sagt Beate Hoth. Sie ist stellvertretende Bereichsleiterin Wohnen der GWG in Stuttgart. Allerdings räumt sie auch ein, dass das Problem noch andauern werden. „Bis wann die Leitungen repariert sind, steht noch nicht fest “, sagt sie und versichert, dass eine provisorische Wasserversorgung installiert wird. Das dauere jedoch noch etwa eine Woche. Bis dahin müssten sich die Bewohner anderweitig behelfen. „Auf Flyern haben wir allen Mietern mitgeteilt, dass sie ins nahe gelegen Mineralbad Leuze können und wir die Kosten übernehmen“, sagt Hoth. Da die Polizei Brandstiftung nicht ausschließt, sei außerdem umgehend ein Sicherheitsdienst eingestellt worden. Der patrouilliert rund um die Uhr auch durch die Treppenhäuser und Keller der anderen 14 GWG-Gebäude im Bereich der Poststraße.

„Es ist ja nicht auszuschließen, dass uns jemand schädigen will“, sagt Hoth. Die Maßnahmen können die aufgebrachten Mieter nicht besänftigen. Die Stimmung im Haus bleibt aufgeheizt. „Wir haben Kinder, die brauchen Wasser und zwar sofort“, fordert eine Bewohnerin, die nicht genannt werden möchte und stellt fest, dass in einer Küche auch der Strom ausgefallen ist.

Mit Hausbränden hat die GWG Erfahrung: Bereits in der Silvesternacht zum Jahreswechsel 2015 war in einem ihrer Gebäude in Neugereut Feuer ausgebrochen. Brandursache damals waren Böller, die Jugendliche in einer Garage gezündet hatten. Da das Gebäude danach nicht mehr bewohnbar war, hat das Sozialamt die Bewohner in einem günstigen Hotel untergebracht. „Das wäre eigentlich Sache des Vermieters gewesen. Da es am 1. Januar schwierig ist, Unterkünfte zu finden, ist das Sozialamt eingesprungen und hat auch die Kosten übernommen“, sagt Sven Matis, Sprecher der Stadtverwaltung. Im Fall der beiden Feuer in der Poststraße gibt es laut Polizei keine neuen Erkenntnisse. Nach Informationen unserer Zeitung könnten jedoch ebenfalls Jugendliche, die im Keller gezündelt haben, das Feuer verursacht haben.