Ex-VfB-Stürmer bleibt sich und seinem Stil treu – Löw droht indirekt mit Klose und Ersatzbank.

Danzig - Als Mario Gomez (26) zur Pressekonferenz erschien, musste er sich nicht lange mit Nebensächlichkeiten aufhalten. Gleich die zweite Frage drehte sich um Mehmet Scholl und dessen Attacken gegen den Münchner Stürmer nach dem EM-Auftaktsieg gegen Portugal. „Mich wundert, dass die Frage hier gestellt wird“, sagte Gomez und schmunzelte. Da war schon zu erahnen, wie er mit dem Thema umgehen würde. Mit Ironie und Sarkasmus, mit Florett statt Säbel. „Ich möchte wissen, weshalb es einen Grund geben sollte, mich zu ändern“, zeigte er Unverständnis für die Aussagen des ARD-Experten.

Scholl (41) hatte Gomez nach dem 1:0-Erfolg Faulheit und mangelnde Lauf- und Spielbereitschaft vorgeworfen: „Ich habe ihn schon mal mehr laufen gesehen als heute, aber selten weniger“, sagte der Ex-Profi und fragte provokativ: „Wie lange hält so eine Mannschaft das aus? Man braucht heutzutage Stürmer, die nach hinten laufen.“ Darauf folgte der fast schon vernichtende Satz: „Ich hatte zwischendrin Angst, dass er sich wund gelegen hat, dass man ihn wenden muss.“

Am Montag relativierte Scholl seine Äußerungen. „Es mag der Eindruck entstanden sein, ich hätte was gegen Gomez. Aber das ist überhaupt nicht der Fall. Ich bin Fan dieser Mannschaft, Gomez ist ein Teil von ihr“, sagte der Europameister von 1996, der 36 Länderspiele (1995–2002, acht Tore) bestritten hat. Zu seinem „Wund gelegen“-Spruch meinte er: „So was nehme ich mir nicht vor. Dieser Vergleich ist mir spontan eingefallen. Die Kameras vergesse ich häufig.“

Gomez sieht keinen Grund, seinen Stil zu ändern

An Mario Gomez prallten Scholls Vorhaltungen ab: „Ich war in den vergangenen fünf, sechs Jahren der erfolgreichste deutsche Stürmer, habe die vergangenen beiden Jahre in der modernen Champions League nach Lionel Messi die meisten Tore geschossen. Deshalb sehe ich keinen Grund, meinen Stil zu ändern“, sagte er. Und überhaupt sei das so eine Sache mit Scholl und ihm.

Nicht genug, dass Scholl wie Gomez ein Angestellter des FC Bayern München ist – in der nächsten Saison trainiert er die zweite Mannschaft in der Regionalliga. „Ein Trainer von meinem Verein“, sagte Gomez und legte die Stirn in Falten: „Mia san mia, eine große Familie. Aber jeder kann sagen, was er will.“ Nein, mit Scholl hat es auch eine Vorgeschichte gegeben. Auf dem Oktoberfest habe der frühere Nationalspieler ihn 2011 angesprochen und gesagt: „Ich weiß schon, seit ich Experte bin, denkst du, dass ich ein . . . bin.“ Scholl versicherte Gomez, seine Äußerungen seien nicht als Kritik, sondern als Motivation gedacht. Schließlich erkenne er doch das enorme Potenzial, das in dem ehemaligen VfB-Stürmer stecke.

Zumindest in diesem Punkt ist sich Hansi Kleitsch, der Entdecker und Förderer von Gomez beim VfB, mit Scholl einig. „Mario hat von der Jugend bis in die Champions League gezeigt, dass er überall Tore erzielen kann. Das spricht für sich“, sagte der ehemalige VfB-Jugendtrainer, der nun als Scout für Bayern München arbeitet, „er kann die schwierigen Tore machen, ist links wie rechts stark und auf dem Weg zum Tor häufig nur mit Fouls aufzuhalten.“ Scholls Kritik kann Kleitsch „nicht nachvollziehen. Die Art und Weise, wie Gomez spielt, macht ihn stark. Er muss sich nichts beweisen.“

„Mehmet ist Trainer, und von denen kann man viel lernen“

Das verdeutlichte auch Gomez – und ging wieder in den Ironie-Modus über: „Ich sehe das nicht unbedingt als Attacke. Mehmet ist Trainer, und von denen kann man viel lernen.“ Und zwar schon für das zweite Gruppenspiel gegen die Niederlande an diesem Mittwoch (20.45 Uhr/ZDF) in Charkow. Auf die Frage, ob er um seinen Platz fürchte, antwortete er kurz und knapp: „Nein.“

Da sollte er sich allerdings nicht zu sicher sein, auch wenn Löw die Kritik von Scholl ins Leere laufen ließ. „Ehrlich gesagt habe ich bei der EM keine Energie, um mich darum zu kümmern, was der eine oder andere irgendwo sagt. Wir im Trainerstab beurteilen die Spieler so, wie wir das für richtig halten.“ Mit Gomez habe er nicht über das Thema gesprochen: „Mario ist gestählt in seiner Persönlichkeit, weil er schon häufig durch ein sportliches Tal gegangen ist.“ Gomez habe gegen Portugal „gut nach hinten gearbeitet und das entscheidende Tor erzielt. Das war eine ansprechende Leistung.“

Womöglich aber nicht ansprechend genug. „Ich bin nicht derjenige, der sagt: Never change a winning team“, erklärte Löw und bescheinigte Konkurrent Miroslav Klose die nötige Wettkampfhärte: „Er ist jetzt so weit, dass er von Anfang an spielen kann.“ Das klingt nicht unbedingt gut für Gomez. Womöglich setzt Löw aber trotzdem weiter auf den Münchner. Dann kann er Scholl noch mal antworten. Sportlich, auf dem Platz – und auf seine Art.