Ruinen der aufgegebenen Packard Autofabrik in Detroit – Trump wurde gewählt, weil er solchen gebeutelten Regionen einen neuen Aufschwung versprochen hat. Foto: AFP

Donald Trump inszeniert sich als „Businessmann“ – das dürfte seinen wirtschaftspolitischen Radikalismus bremsen.

Stuttgart - Was die wirtschaftlichen Folgen des Wahlsieges von Donald Trump angeht, ist es wie nach dem Brexit. So wie damals die Sieger keinen Plan in der Tasche hatten, ist auch bei Trump damit Fehlanzeige. Wohin die Reise geht, wird sich erst zeigen, wenn sich in den kommenden Wochen sein Team an Wirtschaftsexperten und Beratern herauskristallisiert. Sicherlich: Das noch nicht ratifizierte Transpazifische Abkommen TPP ist ebenso tot wie sein noch nicht ausverhandeltes transatlantisches Pendant TTIP. Das sind die Stichworte, die im Exportland Deutschland natürlich im Mittelpunkt stehen. Doch noch nicht in Kraft getretene Abkommen zum Popanz zu machen und mit großer Geste wegzuwischen, dürfte jenseits der symbolischen Wirkung zunächst ohne desaströse Konsequenzen sein.

Wie so vieles bei Trump, sind darüber hinaus die Dinge im Nebel. Wird er es riskieren, das seit Jahrzehnten geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta zu kündigen? So konkret wurde Trump nicht. Er fabulierte lieber davon, dass er Jobs zurück in die USA bringen wolle. Wird er tatsächlich einen Handelskrieg mit China anzetteln? Oder sich, ganz der Showman, auf ein paar Schutzzölle in symbolischen Branchen beschränken? Es liegt in der – durchaus gefährlichen – Natur von Trump, dass es hierfür erst einmal keine Antwort gibt. Der deutschstämmige Investor Peter Thiel, der einsame Trump-Unterstützer aus dem Silicon Valley, brachte das so auf den Punkt: „Die Medien nehmen Trump wörtlich, aber sie nehmen ihn nicht ernst.“ Seine Anhänger nähmen Trump hingegen ernst – aber nicht wörtlich.

Bei der Wirtschaftspolitik dürfte der Widerspruch von Rhetorik und Praxis groß sein

Eine Prognose: In der Wirtschaftspolitik dürfte der Widerspruch zwischen den radikalen Tönen im Wahlkampf und dem, was Trump tun wird, wohl mit am größten sein. Paul Ryan, der trotz seiner lauwarmen Unterstützung Trumps an der Spitze der Republikaner im Repräsentantenhaus bleiben wird, ist ein Vertreter des traditionellen Wirtschaftsflügels. Ryan hat auch im Wahlkampf entsprechende eigene Konzepte präsentiert. Hinter den Kulissen gibt es die traditionellen Wirtschaftslobbyisten immer noch, die sich während des Wahlkampfes weder für Trump noch wirklich gegen ihn ausgesprochen haben. Ironischerweise konnte sich Barack Obama, wenn es um internationale Handelspolitik ging, eher auf die Unterstützung der Republikaner im Kongress verlassen als auf manche Parteifreunde – siehe den Links-Demokraten Bernie Sanders. Zumindest wirtschaftspolitisch gibt es im Kongress damit ein gewisses Gegengewicht.

Donald Trumps Umfeld war immer die Welt des Business. Dort sind seine Freunde, Einflüsterer und Vertrauten – es sind nicht die naiven, jubelnden Anhänger auf den Wahlversammlungen. Trump denkt in ökonomischen Kategorien. Würde er gegen eine Phalanx aggressiver Wirtschaftslobbyisten, die direkten Zugang zu ihm haben, tatsächlich Rückgrat zeigen? Donald Trump wird sich wahrscheinlich in eine zynische Tradition einreihen: Wahl um Wahl haben die Republikaner die frustrierte, weiße Mittelschicht mit Parolen abgespeist – und in der realen Wirtschaftspolitik die Interessen der Wohlhabenden und der Unternehmen im Blick gehabt. Sich wirklich um die Bedürfnisse der Verlierer gekümmert haben sie sich aber nie.

In den Debatten republikanisches Mainstream-Programm

Wer sich die dritte Debatte mit Hillary Clinton anhörte, in der es mindestens am Anfang relativ viel um Inhalte ging, der hörte mit Ausnahme der rhetorischen Spitzen gegen den Freihandel von Trump ein Wirtschaftsprogramm, das vollkommen republikanischer Mainstream ist: Steuersenkungen, weniger Regulierung insbesondere im Umweltbereich, weitere Schwächung der Gewerkschaften.

In seiner Siegesrede erwähnte Trump übrigens das Thema Handel überhaupt nicht, sondern nur ein einziges, für einen Republikaner bemerkenswertes, wirtschaftspolitisch relevantes Thema: Er versprach massive Investitionen in die Infrastruktur. „Wir werden unsere Innenstädte in Ordnung bringen und unsere Straßen, Brücken, Tunnel, Flughäfen, Schulen und Krankenhäuser in Ordnung bringen“, sagte er. In seinen beiden Amtszeiten hat sich Barack Obama bei entsprechenden Plänen immer wieder am massiven, haushaltspolitischen Widerstand der Republikaner die Zähne ausgebissen. Wenn Trump so ein Programm auf den Tisch legen würde, dann könnten die Demokraten nicht Nein sagen. Trump könnte dafür wohl eine Mehrheit organisieren, selbst wenn der wirtschaftsliberale Flügel der Republikaner nicht mitzieht.

Haushaltdefizite sind egal

Das passt zu einem anderen Merkmal der Wirtschaftspolitik à la Trump: Haushaltsdefizite sind ihm vollkommen egal. Er könnte also versuchen, sich Popularität durch eine Haushaltspolitik nach Art von Ronald Reagan buchstäblich zu erkaufen. Der predigte zwar republikanische Orthodoxie, stürzte aber – damals nicht wegen der Infrastruktur, sondern wegen der Rüstung – den US-Haushalt in tiefrote Zahlen. Dieser so erkaufte Wirtschaftsboom war einer der Gründe für Reagans triumphale Wiederwahl 1984. Rigoros hat sich Trump allerdings gegen die lockere Geldpolitik der US-Notenbank ausgesprochen. Durch entsprechende Nominierungen könnte Trump die Fed auf einen restriktiven Kurs zwingen. Wenn für die US-Wirtschaft, was viele Ökonomen befürchten, in der nächsten Zeit eine Rezession ansteht, könnte das die Handlungsfähigkeit der Notenbank lähmen.

Für die US-Wirtschaft langfristig folgenreich könnte Trumps Abneigung gegen andere Zukunftsinvestitionen sein: Er will etwa die Förderung von regenerativen Energien einstellen, und er wird von der heimischen Autoindustrie den Druck nehmen, moderne, sparsamere Technologien zu entwickeln. Seine Versprechungen, längst tote Industrien wie die Kohle- und Stahlbranche wiederzubeleben, bergen das Potenzial für massive, fehlgeleitete staatliche Subventionen – wie sie von den Republikanern für ihre Farmer-Klientel übrigens seit Jahrzehnten durchgewunken werden.

Das sind in der Summe viele kritische Punkte. Aber auch hier ist der Brexit eine Mahnung: Solche Folgen sind gravierend, aber nicht so klar und spektakulär, wie es nach der Wahl die Börse signalisierte.