Der neue US-Präsident Donald Trump hatte den Austritt bei TPP schon vor der Wahl angekündigt. Foto: AFP

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht im zunehmenden Protektionismus eine Gefahr. Die deutsche Industrie will die US-Regierung davon überzeugen, das Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA weiter zu verhandeln.

Berlin/Brüssel - Die deutsche Wirtschaft reagiert mit Sorge auf die Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump, das transpazifische Freihandelsabkommen TPP nicht umzusetzen. Dass der amerikanische Präsident mit einer seiner ersten Amtshandlungen das Abkommen außer Kraft setzte, sei beunruhigend, hieß es im Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Dies sei ein Zeichen, dass der Präsident mit seinen Wahlkampfankündigungen und der protektionistischen Rhetorik ernst mache. Alarmiert ist auch der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Der Exportanteil liegt in dieser Branche bei 75 Prozent. Für die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer sind die USA der wichtigste Markt. „Für uns ist der freie Handel existenziell wichtig“, erklärte der Verband.

Der DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier sagte: „Mit der Transpazifischen Partnerschaft TPP steht eines der ambitioniertesten und größten Projekte zur Handelsliberalisierung erst einmal vor dem Aus.“ Nach Einschätzung des DIHK würden deutsche Unternehmen dadurch verlieren, denn ihre Lieferketten seien eng mit den USA und den TPP-Partnern verbunden.

Abschottung mache alle Beteiligten ärmer

Warnende Stimmen kommen auch aus der Politik. Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, sagte dieser Zeitung: „Der weltweit spürbare Hang zu mehr Protektionismus ist gefährlich.“ Abschottung mache alle ärmer, sagte Machnig. Deutschland sei so erfolgreich, weil es eine offene Volkswirtschaft sei. Die Bundesregierung setze sich für eine Handelspolitik ein, die Menschen am wirtschaftlichen Erfolg in gerechter Weise beteiligt, sagte der SPD-Politiker.

Ernüchterung herrscht in der deutschen Wirtschaft auch deshalb, weil mit Trumps Entscheidung die Aussichten auf einen erfolgreichen Abschluss des europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen TTIP weiter sinken. Die deutsche Industrie will zwar die US-Politik in persönlichen Gesprächen überzeugen, die Verhandlungen über TTIP fortzusetzen. „Die Europäische Kommission muss ihre Gesprächskanäle für ein transatlantisches Freihandelsabkommen offen halten“, sagte vor Kurzem der BDI-Präsident Dieter Kempf. Doch in der Wirtschaft ist auch die Einschätzung zu hören, dass TTIP lange Zeit auf Eis gelegt wird.

Absage der USA könnte Chance für Europa sein

Der Vorsitzende des Asien-Pazifik-Ausschusses, Hubert Lienhard, sagte, für Europa bietet sich jetzt die Gelegenheit, sich mit den Ländern Asiens zur Globalisierung zu bekennen. „Auf der Suche nach Partnern für substanzielle und ambitionierte Abkommen sollten wir in der Asien-Pazifik-Region fündig werden.“ Auch der FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer forderte, die EU solle prüfen, ob sie nicht statt der USA als Partner in das transpazifische Abkommen einsteigen können.

Nach dem Ausstieg der USA aus dem geplanten Handelsabkommen für den Pazifikraum wollen mehrere andere Staaten die Transpazifische Partnerschaft (TPP) noch retten. Japan, Australien und Neuseeland kündigten Bemühungen an, um das Handelsabkommen doch noch zu retten. Im Gegensatz zum neuen US-Präsidenten Donald Trump will die EU-Kommission an Freihandelsabkommen mit anderen Ländern festhalten. Brüssel geht handelspolitisch in die Offensive. Der Sprecher von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte: „Europa ist offen für Business.“ Dies ist als unmittelbare Reaktion auf die Trump-Ankündigung zu verstehen. Die Gemeinschaft sei fest entschlossen, dem Trend zu Protektionismus zu trotzen. Die EU sei dabei ausdrücklich offen für die Zusammenarbeit mit anderen ähnlich gesinnten Regierungen. Brüssel bemüht sich um die Länder, die Trump nun vor den Kopf stößt. „Mit Ausnahme eines einzigen Landes hat die EU bereits mit allen TPP-Staaten Abkommen oder verhandelt intensiv darüber“, so der Sprecher weiter.

Freihandel ist Kernanliegen der Juncker-Kommission

Er machte deutlich, dass das Vorantreiben der Freihandelsagenda Kernanliegen der Juncker-Kommission ist. „Die EU zählt weltweit zu den Wirtschaftsräumen, die am offensten sind.“ Die EU ist der wichtigste Handelspartner für 80 Länder weltweit, die USA ist dagegen der wichtigste Handelspartner für lediglich etwas mehr als 20 Länder. Der Export in Länder außerhalb der EU hat seit 1995 um mehr als 70 Prozent zugelegt. 31 Millionen Jobs in der Union sind vom Export in Länder außerhalb der Gemeinschaft abhängig. Jeder siebte Arbeitsplatz hängt am Export, 1995 war es noch jeder elfte. Bei der großen öffentlichen Aufmerksamkeit für TTIP und Ceta wird häufig übersehen, dass die EU bei Freihandelsabkommen seit Jahren in der Offensive ist. Derzeit laufen zwischen der EU-Kommission und Partnern allein die Gespräche für annähernd 20 regionale oder bilaterale Handelsabkommen.

Der CDU-Handelsexperte im Europa-Parlament, Daniel Caspary, macht Tempo. „Jetzt ist es umso wichtiger, mit allen TPP-Staaten über den Freihandel zu reden und die laufenden Verhandlungen zügig zum Abschluss zu bringen“, sagt der Abgeordnete im Gespräch mit unserer Zeitung. Der Chef des Handelsausschusses im Europa-Parlament, Bernd Lange (SPD), sieht es ähnlich: „Gerade in Zeiten, in denen Trump rücksichtslosen Protektionismus und die Dominanz des Stärkeren ausruft, muss sich Europa für faire globale Regeln stark machen“, fordert er.