Vor dem Abbau noch schnell ein Danke: Grünen-Plakat vor dem Rathaus. Foto: Leif Piechowski

Einen Tag nach seiner Wahl zum neuen Stuttgarter Oberbürgermeister hat der Grünen-Bundestagsabgeordnete Fritz Kuhn seine Hauptanliegen benannt.

Stuttgart - Aufgeräumt und ausgeschlafen, so präsentierte sich Fritz Kuhn, der am Sonntag bei der OB-Wahl 52,9 Prozent aller abgegebenen Stimmen für sich verbuchen konnte, am Montag in der Alten Kanzlei der Presse. Bis Januar will er sein Mandat im Bundestag wahrnehmen, parallel aber Konzepte gegen den Feinstaub in Stuttgart und für zusätzliche Kleinkindplätze entwickeln.

Er habe noch viele Fragen zu Stuttgart und denke, „dass diese OB Wolfgang Schuster wohlwollend beantworten wird, schließlich will er einen guten Nachfolger“, griff Kuhn das Angebot des Christdemokraten Schuster vom Wahlabend auf. Am 7. Januar wird der Erste Bürgermeister Michael Föll (CDU) Kuhn die Amtskette in einer Sitzung des Gemeinderates umhängen. Dann will der neue OB schon ein Stück weit eingearbeitet sein.

Ganz oben auf der Prioritätenliste stehe für Kuhn der Ausbau der Betreuungsplätze. „Wir müssen uns sputen“, sagt er. Zwar übertreffe die Stadt die bis 2014 gesetzlich vorgeschriebene 30-Prozent-Marke für die unter Dreijährigen mit 34 Prozent leicht, die vom Gemeinderat beschlossenen 45 Prozent müssten aber umgesetzt werden. Seine Zielvorgabe werde sein, die beschlossene Zahl zu verbessern. In Gebieten mit noch wesentlich höherer Nachfrage wie zum Beispiel im Stuttgarter Westen helfe ein Durchschnittswert den Familien nicht.

Stuttgart hält den Rekord an Tagen, an denen die EU-Grenzwerte überschritten werden

Den späten Ausbau der Betreuungsplätze sieht Kuhn auch als Versäumnis der CDU. Sie habe das Thema „nicht oder zu spät erkannt“. Der frühere Ministerpräsidenten Erwin Teufel habe sich selbst gegen die Nachmittagsbetreuung von über dreijährigen Kindern gesperrt. Für Kuhn nur ein Beleg dafür, das „die CDU Themen der Großstadt nicht oder zu spät erkennt“ und daher in diesen Kommunen nicht mehrheitsfähig sei. Kuhn: „Die CDU hat die Atmung des modernen großstädtischen Lebensgefühls verlernt. Frau Merkel weiß das seit zehn Jahren.“ Insgesamt gebe es im bürgerlichen Lager in Baden-Württemberg und in Stuttgart „keine Dominanz der CDU mehr“, bei wichtigen Themen beherrschten die Grünen die Diskussionen.

Das zweite Feld, das Kuhn vom Start weg beackern will, ist das Thema Feinstaub. Stuttgart hält den Rekord an Tagen, an denen die EU-Grenzwerte überschritten werden. Er plane ein Zehn-Punkte-Programm zur Feinstaub-Bekämpfung. Dazu zählten Tempo 40 auf den Vorbehaltsstraßen, Tempo 30 in Wohngebieten und Tempo 50 auf Durchgangsstraßen. Der Parksuchverkehr in der Stadtmitte und im Süden müsse wie im Westen durch eine Parkraumbewirtschaftung eingedämmt werden. Das heißt, das es keine kostenfreien Stellplätze mehr geben wird. „Dieses Instrument ist sofort einsetzbar“, kündigt Kuhn Tempo an. Er wolle mit den Oberbürgermeistern der Region über Anreize für den öffentlichen Nahverkehr sprechen, mit der Wirtschaft darüber, wie Beschäftigten Bus- und Bahntickets schmackhaft gemacht werden könnten. Mehr Radwege hält Kuhn für selbstverständlich, dank dem Elektrofahrrad steche das Argument, Stuttgarts Hügel seien mit dem Fahrrad nicht zu bezwingen, nicht mehr.

Tempo 40 zunächst auf Steigungsstrecken entlang von Wohnbebauung

Kuhns Initiative für ein generelles Tempo 40 dürfte nicht leicht umzusetzen sein. Auf rund 1000 der rund 1500 Kilometer städtischer Straßen gelte schon heute Tempo 30, sagt Bernd Eichenauer, der Leiter der Straßenverkehrsbehörde im Ordnungsamt. Die restlichen 495 Kilometer gelten als Vorbehaltsstraßen. „Was eine Durchgangsstraße ist, müsste man zunächst definieren“, sagt Eichenauer. Das könnten die B 14 oder B 10 sein, „die B 27 eher nicht“, so der Experte.

Der Wechsel von Tempo 50 auf 40 als Regelgeschwindigkeit sei für die Stadt zwar möglich, müsse aber rechtssicher begründet werden. Die Stadt wolle Tempo 40 zunächst auf Steigungsstrecken entlang von Wohnbebauung wie zum Beispiel der Rotenwaldstraße oder Immenhofer Straße einführen, weil dort die Reduzierung von Dieselruß und Feinstaub nachgewiesen werden konnte. Tempo 40 auf der Fläche sei „im Moment eine ungewöhnliche Geschwindigkeit“, sagt Eichenauer, „das wird spannend“.