CDU-Wahlparty am Abend des 13. März: Seit dem Bekanntwerden der Wahlergebnisse ist im Kreisverband auch nicht mehr Freude aufgekommen. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Der CDU-Kreisverband in der Landeshauptstadt tut sich schwer mit dem Gedanken, dass Grün und Schwarz vielleicht regieren müssen. Zwei unterlegene Stuttgarter Kandidaten sehen die Partei vor einer Zerreißprobe.

Stuttgart - Nach dem Desaster für die CDU und die SPD bei der Landtagswahl in Stuttgart und nach den Erfolgen für die Grünen und die AfD ist am Montag in Parteizentralen und bei Wahlbeobachtern die Aufarbeitung eingeleitet worden.

Die Lage bei der CDU

Der CDU-Kreisvorstand ist wie der Landesvorstand am Montagabend zusammengetreten. Während bei Letzterem vor allem das Schicksal des baden-württembergischen Spitzenkandidaten Guido Wolf und die neue Aufstellung der Landes-CDU im Fokus standen, ist im Kreisverband über Signale an den Landes- und an den Bundesverband diskutiert worden. Das Gremium hat sich mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Mitgliederentscheid auf Landesebene über die Koalitionsfrage ausgesprochen. Neben Grün-Schwarz würde es dann um die Ampelkoalition in den Deutschlandfarben gehen: Schwarz-Rot-Gelb. Doch da brauche die SPD wohl noch Bedenkzeit, hieß es.

Hier gibt es die Landtagswahl-Ergebnisse für Stuttgart.

Eine Mitschuld der Kreispartei am Desaster in Stuttgart – kein Direktmandat mehr und rund 14 Prozentpunkte Rückstand auf die Grünen – sieht man im Vorstand nicht. Man habe keine Fehler gemacht. Im Gegenteil: „Im Vergleich mit anderen Städten hat die CDU in Stuttgart sogar gut abgeschnitten“, sagte der Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann vor der Sitzung. Er halte ein grün-schwarzes Bündnis auf Landesebene eher für schwierig. Diesbezüglich gebe es Sorgen in Teilen der Partei. Es gehe hier auch nicht um Etatberatungen wie jüngst im Rathaus, sondern um zentrale Themen der Landespolitik. Da seien die Ansätze der Parteien bei Verkehrs- und Bildungsthemen „diametral anders“. Die Ampel aus CDU, SPD und FDP sei im Moment erste Präferenz, meinte Kaufmann.

Unterlege fühlen sich unwohl mit Grün-Schwarz

Die den Grünen unterlegenen CDU-Kandidaten Reinhard Löffler (Wahlkreis Stuttgart III) und Roland Schmid (Stuttgart IV) sind nicht als Freunde von Kaufmann bekannt, dennoch nahmen sie ihn öffentlich beide in Schutz. „Es war ein guter Wahlkampf – mehr geht gar nicht“, sagte Schmid unserer Zeitung. Und Löffler: „Der Kreisverband hat sich nichts vorzuwerfen. Kaufmann machte einen guten Job.“ Allerdings liegt es auch im Interesse der leer ausgegangenen CDU-Bewerber, die Rolle des Flüchtlingsthemas bei der Entscheidung der Wähler, mithin die fast schicksalhafte Auswirkung eines übergeordneten Themas in den lokalen Wahlkampf, herauszustreichen. „Die Kandidatenpersonen waren völlig egal“, sagte Schmid. Er und Löffler zeigten sich sehr reserviert gegenüber einer grün-schwarzen Koalition. „Das würde noch mehr Austritte geben, das würde uns zerreißen“, sagte Löffler. Im Zuge der Flüchtlingsdebatte, sagte Kaufmann, seien in Stuttgart etwa drei Dutzend Mitglieder ausgetreten.

Der Politologe meint, die Paarung passt

Der Tübinger Politikwissenschaftler Hans-Georg Wehling ist überzeugt, dass der Landesvorsitzende Thomas Strobl („der kommende Mann bei der Landes-CDU“) längst mit den Grünen Kontakt aufnahm. Mit gutem Grund: Aus der Bevölkerung hätten viele Ministerpräsident Winfried Kretschmann gewählt. Wenn nun mit einer Ampel eine Regierung Kretschmann verhindert würde, würde das in der Bevölkerung anders betrachtet werden als in Kreisen von Parteienvertretern. „Die Legitimation von Regierungen wird von den Parteien und den Wählern unterschiedlich beurteilt“, sagte Wehling unserer Zeitung. Die Parteien sähen die Wahl als Element der repräsentativen Demokratie, in der die Parteien nach der Wahl Gestaltungsfreiheiten haben. Die Wähler würden die Wahl stärker als plebiszitäres Element, also eine Art Volksentscheid, betrachten. Für Wehling passen „Grün und Schwarz in der Zielsetzung gut zusammen“. Die Hindernisse, die zu überwinden wären, seien vor allem psychologischer Natur.

Und der Wahlausgang in Stuttgart? Der habe keinen mehr überraschen können. Der Verlust auch noch des vierten Stuttgarter Direktmandats für die CDU sei angesichts der Prognosen für die Landesparteien kein Wunder mehr gewesen.

Erkenntnisse aus der Wahl

Über die Wählerwanderungen speziell in Stuttgart ist bisher nichts bekannt. Das Statistische Amt der Stadt wird wohl erst in vier bis sechs Wochen eine detaillierte Analyse vorlegen. Am Montag sprach Amtsleiter Thomas Schwarz von größtenteils „unauffälligen Ergebnissen“. Die Grünen-Resultate seien nicht mehr so stark wie früher von tagesaktuellen Ereignissen und Glück abhängig. Die Grünen hätten die fünf Jahre in der Regierung gut genützt, sich besser aufzustellen. Der Partei komme auch die demografische Entwicklung zupass. Er halte es für denkbar, dass sie sich auf Jahre zulasten der SPD in der politischen Mitte etabliere.

Wer sich die Ergebnisse genau anschaut, stößt darauf, dass das Projekt Stuttgart 21 keine große Rolle spielte. Der profilierte Gegner Hannes Rockenbauch hat für die Linke im Innenstadt-Wahlkreis Stuttgart I zwar mit 7,3 Prozent mehr geholt als die anderen Parteikandidaten in Stuttgart, aber auch nur 5333 Stimmen erobert. Im Wahlkreis Stuttgart II ist im Ergebnis von Winfried Hermann (Grüne), der S 21 als Realität anerkennt, die Rolle des Projektes kaum ablesbar.