Mitte März ist Macron schon einmal im Kanzleramt gewesen, vermutlich nächste Woche kommt er wieder – dann als französischer Staatspräsident. Foto: AFP

Emmanuel Macrons Erfolg ist auch Verpflichtung für die deutsche Politik. In Berlin herrscht Einigkeit, dass er Erfolg haben muss, damit die EU-Gegner nicht doch noch triumphieren. Wie Paris unterstützt werden soll, ist aber umstritten. In einem Bereich aber sind die Vorstellungen schon deckungsgleich.

Berlin - Aus Sicht derer, die in der Europäischen Union nicht das Problem, sondern die Lösung sehen, ist es gerade noch einmal gut gegangen: In der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen wurde knapp vermieden, dass zwei EU-Gegner in die Stichwahl kommen – in dem Duell wiederum setzte sich der für mehr europäische Kooperation werbende Emmanuel Macron gegen die Nationalistin Marine Le Pen durch. Langfristig scheint die proeuropäische Gesinnung im größten deutschen Partnerstaat aber keineswegs sicher, da ein starkes Drittel der Franzosen indirekt gegen die EU gestimmt hat. „Macron ist zum Erfolg verdammt“, sagt Andreas Jung (CDU), der Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentariergruppe im Bundestag, „sonst könnten in fünf Jahren die Extremisten gewinnen.“

Die Einschätzung, dass im wirtschaftlich zurückgefallenen Nachbarland jenseits des Rheins nun dringend etwas passieren muss, teilt auch die Bundesregierung. „Was Frankreich braucht, sind Ergebnisse“, sagte Angela Merkel am Montag, nachdem die CDU-Gremien zuvor über den Ausgang der Wahlen dort und in Schleswig-Holstein beraten hatte. Die Kanzlerin blickte dabei ebenfalls schon auf das Ende von Macrons Legislaturperiode voraus, wenn sich die französischen Wähler fragen würden, wie es bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorangegangen sei – die Quote liegt aktuell bei knapp zehn Prozent.

Gabriel prescht vor, Merkel wartet ab

Aus dieser Erkenntnis heraus ist auch die Berliner Einsicht zu verstehen, „die ehrgeizige Reformagenda, die sich Emmanuel Macron auf die Fahnen geschrieben hat, zu fördern“, wie Martin Schäfer, der Sprecher von Außenminister Sigmar Gabriel, am Montag verkündete. Der sozialdemokratische Vizekanzler hat sich in dieser Hinsicht, was in der Gremiensitzung der Union thematisiert wurde, bereits weiter aus dem Fenster gelehnt als die Kanzlerin. So hat Gabriel bereits vorige Woche in einem Beitrag für die Pariser Zeitung „Le Monde“ einen deutsch-französischen Investitionsfonds ins Spiel gebracht und den Vorschlag am Wahlabend erneuert.Merkel wiederum wartet ab. Sie wolle sich erst anhören, was Macron selbst für Vorstellungen habe, wenn er – vermutlich nächste Woche – zum Antrittsbesuch nach Berlin kommt. Dabei hätte sie seine Überlegungen sehr wohl kommentieren können, da er ihr diese erst Mitte März bei einem Gespräch im Kanzleramt offenbart hatte. Natürlich wolle und werde die Bundesregierung „hilfreich“ sein, sagt Merkel, die aber den Eindruck vermeiden will, dies sei in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen: „Wir müssen damit jetzt nicht beginnen.“ Vor allem möchte sie keine zu großen Erwartungen wecken oder gar die Reformbereitschaft im Nachbarland schwächen: „Deutsche Unterstützung kann französische Politik nicht ersetzen.“

Macron geht es um mehr als um Investitionen

Für eine bilaterale Investitionsoffensive, wie sie Gabriel fordert, gibt es gleichwohl auch in der CDU Unterstützung. Jung etwa kann sich vorstellen, grenzüberschreitend Geld für mehr schnelles Internet, intelligente Energienetze oder die Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität auszugeben. Mit Forderungen nach einer stärkeren Schuldenvergemeinschaftung oder weicheren EU-Defizitkriterien, wie sie immer wieder aus Frankreich zu hören waren, hat das aus seiner Sicht nichts zu tun: „Die CDU lehnt Eurobonds oder eine Transferunion weiter ab, das jedoch ist gar nicht Macrons Thema.“ Aus ihrer Sicht positiv merkte auch Merkel an, dass Macron die Regeln des europäischen Stabilitätspaktes nicht infrage stelle. Dass es dem künftigen französischen Staatschef dennoch um etwas mehr geht als „nur“ um mehr Investitionen, zeigt aber schon ein Papier, das er 2015 gemeinsam mit Gabriel verfasst hat, als beide noch Wirtschaftsminister waren. Darin sind, mit dem Ziel einer „wirtschaftlichen Angleichung zwischen den EU-Staaten und insbesondere den Ländern der Eurozone“, eine ganze Reihe von Reformen der Währungsunion aufgelistet. So sollten Unternehmenssteuern harmonisiert und „Mindestlohnkorridore“ festgelegt werden. Damit ist zumindest indirekt auch die gerade unter Christdemokraten unbeliebte Kritik an deutschen Billigexporten etwa in der Fleischindustrie und dem generell sehr hohen deutschen Exportüberschuss verknüpft.

Mehr Anknüpfungspunkte gibt es hinsichtlich einer veränderten Konstruktion der Eurozone. So wurde Macrons Idee, aus dem Krisentopf ESM einen Europäischen Währungsfonds zu bauen, sowohl von Gabriel als auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) in der Vergangenheit bereits unterstützt. In Brüssel ein eigenes Budget für Euroländer anzusiedeln, das ihnen zur sozialen Abfederung schwieriger Reformmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt oder im Rentensektor zur Verfügung steht, hat Merkel schon vier Jahre vor Macron vorgeschlagen – ohne dafür die anderen EU-Partner gewinnen zu können. Schwieriger könnten die nächsten Verhandlungen zu Griechenland werden, wo gerade bekannt wurde, dass Macron 2015 durchaus offen für Ideen des Athener Ministers Yanis Varoufakis war, der mit Schuldenschnittforderungen Schäuble zur Weißglut trieb.

„Macron hat ein besseres und solidarischeres Europa versprochen“, sagt die Grünen-Abgeordnete Franziska Brantner: „Die Bundesregierung muss jetzt über ihren Schatten springen, einen Schritt auf Frankreich zugehen und seine Vorschläge aufgreifen.“ Man dürfe die sich mit Macron bietende „Chance für eine gemeinsame Reform Europas jetzt nicht verspielen“.