Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht keine Alternative zu Jamaika im Bund. (Archivfoto) Foto: dpa

Für ein Regierungsbündnis im Bund ist die Jamaika-Koalition derzeit die einzige Alternative. Ministerpräsident Kretschmann wird bei der Sondierung ein Wörtchen mitzureden haben.

Stuttgart - Wenige Tage nach der Bundestagswahl ist auch im Südwesten eine mögliche Jamaika-Koalition in aller Munde. Sie sei nach dem angekündigten Rückzug der SPD in die Opposition ohne Alternative, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Als letzte Möglichkeit bliebe ansonsten nur eine Neuwahl. „Das will doch wohl ernsthaft niemand ins Kalkül ziehen.“ Die Sondierungsgruppe seiner Partei für ein Bündnis von CDU/CSU, Grünen und FDP, der er auch angehört, stehe in großer Verantwortung. Die Gespräche würden konstruktiv mit dem Ziel geführt, dass es zu Koalitionsverhandlungen kommt.

Der einzige grüne Ministerpräsident ist prominentes Mitglied des 14-köpfigen Grünen-Teams, das die Möglichkeiten für eine Jamaika-Koalition auslotet. Ein kleiner Parteitag am kommenden Samstag muss noch zustimmen. Die Leitung der Gespräche liegt bei den Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir.

Keine Vorbedingungen

Kretschmann betonte, man werde in die Sondierung ohne Vorbedingungen gehen. „Es werden jetzt keine Knackpunkte genannt.“ Alles andere wäre unprofessionell. Er appellierte an die Kompromissfähigkeit aller Beteiligten. Der Kompromiss halte die Gesellschaft zusammen und ermögliche eine stabile Regierung. Als „harte Verhandlungsbrocken“ sieht er im Fall von Verhandlungen die Themen innere Sicherheit mit der CDU sowie Europa mit der FDP.

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Zuvor hatte auch CDU-Landeschef und Bundesvize Thomas Strobl sich selbst und Kretschmann als Partner für Gespräche ins Spiel gebracht. Das sei eine gute Gelegenheit, baden-württembergische Interessen mit einzuspeisen. Die beiden Männer stehen seit 2016 an der Spitze einer grün-schwarzen Koalition.

Kretschmann kritisierte die Verweigerungshaltung der SPD. Die Entscheidung sei nach seiner Meinung „etwas vorschnell“ gefallen. Er sei auch irritiert von den Angriffen Schulz’ gegen diejenigen, die ein Bündnis schmieden wollen. Auch Innenminister Strobl hatte das Verhalten der SPD gerügt. Die CDU-Landesgruppe folgte am Dienstag seinem Vorschlag, den Konstanzer Bundestagsabgeordneten Andreas Jung zum Landesgruppenchef im Amt zu bestätigten. Die 38 CDU-Abgeordneten aus dem Land wählten ihn einstimmig.

FDP bespricht Möglichkeiten

Der frühere CDU-Sozialexperte und Bundesarbeitsminister Norbert Blüm rät seiner Partei angesichts ihres schwachen Wahlergebnisses zu einer intensiveren Sozialpolitik. „Das Einstehen für mehr soziale Gerechtigkeit braucht eine ganz andere Lautstärke“, sagte der 82-Jährige in Freiburg der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn wir den Abstand zwischen Reich und Arm nicht verkleinern, dann werden wir dem Flüchtlingsstrom und den Problemen in unserem Land nicht Herr werden.“

Am Dienstagabend kommt die FDP Baden-Württemberg zu ihrer Präsidiums- und Vorstandssitzung zusammen. Dort sollen die Möglichkeiten für eine Jamaika-Koalition besprochen werden. Die Liberalen waren nach vier Jahren Auszeit zurück in den Bundestag gewählt worden und übersprangen mit einem Ergebnis von 10,7 Prozent locker die Fünf-Prozent-Hürde. FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke hatte der „Pforzheimer Zeitung“ allerdings bereits am Montag gesagt, dass er Gespräche seiner Partei mit den Grünen für eine Koalition auf Bundesebene für schwierig halte. FDP-Landeschef Michael Theurer, der von der zwölfköpfigen Landesgruppe einstimmig zum Chef gewählt worden war, hatte sich ebenfalls zunächst verhalten geäußert.

Im 19. Bundestag sitzen künftig 96 Abgeordnete aus Baden-Württemberg - 18 mehr als bislang. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis hatte die Südwest-CDU bei der Bundestagswahl 34,4 Prozent erreicht und damit 11,3 Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl 2013 verloren. Die Südwest-SPD wurde - ebenfalls mit deutlichen Verlusten - zweistärkste Kraft mit 16,4 Prozent der Stimmen. Grüne (13,5 Prozent), FDP (12,7 Prozent) und AfD (12,2 Prozent) verzeichneten jeweils Zugewinne. Die Wahlbeteiligung stieg um 4 Prozentpunkte im Vergleich zu 2013 auf 78,3 Prozent.