Ende Mai hielten sich mehr als 220 000 „vollziehbar Ausreisepflichtige“ in Deutschland auf, rund 52 000 von ihnen ohne Duldung Foto: dpa

Der Attentäter von Ansbach war als abgelehnter Asylbewerber geduldet – so wie derzeit Zehntausende Menschen in Deutschland. Wir haben eine Übersicht über die Bedingungen, unter welchen ein Flüchtling trotz Abschiebungsbescheid im Land geduldet wird.

Stuttgart - Der Mann, der am Sonntagabend den mutmaßlich islamistisch motivierten Bombenanschlag in Ansbach verübte, ist ein abgelehnter Asylbewerber aus Syrien. Dank einer sogenannten Duldung durfte er sich zunächst weiter in Deutschland aufhalten. Er sollte aber nach Angaben des bayerischen Innenministeriums nach Bulgarien abgeschoben werden, weil er dort vor seiner Ankunft in Deutschland registriert worden sei.

Von einer Duldung profitieren in Deutschland Zehntausende Menschen. Letztens nannte der Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Bundestag aktuelle Zahlen: Demnach hielten sich Ende Mai mehr als 220 000 „vollziehbar Ausreisepflichtige“ in Deutschland auf, rund 52 000 von ihnen auch ohne Duldung. In den ersten fünf Monaten des Jahres, so der Minister, habe es dagegen nur knapp 11 300 Abschiebungen gegeben. Das sei „zu wenig“, sagte der Politiker. Nicht alle, die in Deutschland Asyl beantragen, könnten auch bleiben.

In der Regel werden syrische Flüchtlinge nicht abgeschoben

Die rechtlichen Hintergründe sind komplex. Asylverfahren werden durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) in Nürnbergentschieden, das dem Bundesinnenministerium untersteht. Wenn das Bamf einen Asylantrag ablehnt und die Abschiebung anordnet, kann der Betroffene sich vor dem Verwaltungsgericht dagegen wehren. Bestätigt das Gericht die Entscheidung des Bamf, kann die zuständige kommunale Ausländerbehörde jederzeit dafür sorgen, dass der Aufenthalt des abgelehnten Asylbewerbers beendet wird. Der Betroffene kann sich dagegen zwar wiederum juristisch zur Wehr setzen, eine aufschiebende Wirkung hat das allerdings nicht mehr.

Nun kommt die sogenannte Duldung ins Spiel. Es handelt sich um eine Bescheinigung, mit der man sich als abgelehnter Asylbewerber weiter in Deutschland aufhalten darf, trotz „vollziehbarer Ausreisepflicht“, wie es im Beamtendeutsch heißt. Die Ausländerbehörden können vorübergehend von Vollstreckungsmaßnahmen absehen, wenn bestimmte Bedingungen greifen.

Die Bedingungen für eine Duldung in der Übersicht:

– wenn der abgelehnte Asylbewerber aus einem nicht sicheren Herkunftsstaat stammt. Mit dieser Begründung schieben die Behörden in der Regel nicht in das Bürgerkriegsland Syrien ab. Auch in Länder, in denen politische Verfolgung, Folter oder die Todesstrafe drohen, wird nicht abgeschoben.

– wenn der Betroffene reiseunfähig ist, also nicht ohne Gefahr für Leib und Leben ans Reiseziel gelangen kann. Diese Regelung hat der Bundestag im März verschärft. Betroffene müssen nun eine entsprechende ärztliche Bescheinigung vorlegen.

– wenn der Betroffene keine Reisedokumente hat.

– wenn der Betroffene dringende persönliche Gründe anführen kann. Eine Berufsausbildung oder ein Job, also die Fähigkeit, eigenständig für den Lebensunterhalt zu sorgen, können dafür in Frage kommen.

Um Duldung und Abschiebung, die von den Ländern unterschiedlich streng gehandhabt werden, gibt es immer wieder politischen Streit – so wie nun nach dem Ansbacher Anschlag. Nach Zahlen der Bundesregierung ist das Risiko, abgeschoben zu werden, in Bremen besonders gering. Knapp 97 Prozent der Asylbewerber, die 2014 abgelehnt wurden, hielten sich Ende 2015 noch dort auf. Dagegen waren es in Sachen-Anhalt nur knapp 43 Prozent, in Bayern gut 45 Prozent. In Baden-Württemberg lag die Quote bei knapp 57 Prozent.