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Selfstorage heißt nach amerikanischem Vorbild das Zauberwort für alles, was keinen Platz findet.

Stuttgart - Der moderne Mensch muss mobil sein. Und flexibel. Eben mal für ein paar Jahre beruflich in die USA gehen? Ein Angebot, das man nicht ausschlagen kann. Aber wohin so lange mit dem eigenen Hausstand? Das Zauberwort heißt Selfstorage: selbst einlagern. Die Amerikaner machen es längst vor.

Geboren, gelebt und gestorben am selben Ort, vielleicht sogar in den immer gleichen vier Wänden: So viel Beständigkeit wird man heute kaum mehr finden. Die weite Welt lockt, der berufliche Erfolg liegt nicht vor der Haustür, und die große Liebe entbrennt auch manchmal am anderen Ende der Welt. Leichten Herzens werden Zuhause und Heimat verlassen, es muss ja nicht für immer sein.

Markus Gummi (41) beispielsweise hat ganz genau gewusst, dass es nur zwei Jahre sein würden, die er für seine Firma in den USA verbringen sollte. Trotzdem haben er und seine Frau Monika das vertraute Mobiliar per Container mit auf die Reise genommen, um sich auch am Lake Michigan wie zu Hause zu fühlen. Als Lager für Überzähliges wurde eine kleine Junggesellenwohnung, die man behalten hatte, genutzt. Jetzt kam das Ehepaar wieder zurück und suchte eine Zwischenlösung: Die eine Wohnung ist aufgegeben, die andere noch nicht bezogen, der Kofferraum voll mit Zeug. Wie's halt manchmal so geht im Leben. Für die Lösung ihres Problems hatten die Stuttgarter das amerikanische Beispiel vor Augen: "Weil die amerikanischen Häuser weder unterkellert sind noch einen Raum unterm Dach haben, findet man dort an jeder Ecke Selfstorage-Einrichtungen. Auch wenn es oft nur simple Garagenzeilen sind", sagt Markus Gummi.

Auf der Suche nach einer vergleichbaren Dienstleistung wurde er in der Pragstraße für 69 Euro im Monat fündig: Bei MyPlace, einem schicken Lagergebäude, in dem 550 Boxen in 70 verschiedenen Abteilgrößen von einem bis zu 50 Quadratmeter auf drei Geschossen zu mieten sind. Sauber, trocken, frostfrei und mit einem Nummerncode und eigenem Abteilschlüssel bei permanenter Videoüberwachung jederzeit zugänglich. Denn im Unterschied zur klassischen Speditionslagerung können Privatleute wie Gewerbetreibende dieses Angebot in Eigenregie nutzen. Ohne die Hilfe von Möbelpackern bringen sie ihre sieben Sachen selbst in den Boxen unter.

MyPlace ist derzeit zu 66 Prozent ausgelastet und mit Erweiterungsplänen schon auf Expansionskurs. "Im Jahr 2007 gab es in den USA 44974 Selfstorage-Standorte mit über 195 Millionen Quadratmeter vermietbarer Lagerfläche", hat man sich im Unternehmen ganz genau kundig gemacht. Das bedeute, dass es pro knapp 7000 US-Bürgern einen Standort gebe und pro Bürger eine Lagerfläche von 0,64 Quadratmeter zur Verfügung stehe. Der Markt sei aber noch nicht gesättigt und wachse weiter.

Dem gegenüber gebe es in ganz Europa nur 1271 Standorte mit gerade mal 0,01 Quadratmeter pro Bürger. Ein himmelschreiender Notstand. Vor zehn Jahren sprangen daher junge Unternehmer in Wien entschlossen in diese Marktlücke "mit großem Wachstumspotenzial, nachdem ein Freund vom Geschäftserfolg dieser Einrichtung in den USA erzählte und Marktstudien in deutschsprachigen Großstädten ergaben, dass jeder fünfte Haushalt über zu wenig Platz verfügte", erzählt der Gründer und geschäftsführende Gesellschafter Martin Gerhardus.

Entstanden sind mittlerweile insgesamt 32 Filialen in Wien, Graz, Zürich, München, Berlin, Hamburg, Nürnberg, Wiesbaden, Frankfurt und seit zwei Jahren auch in Stuttgart. Stefan und Elfi Kieninger, 47 und 45 Jahre alt, zwei Grafikdesigner aus Asperg, sind heilfroh darüber. Denn als Frau Kieninger von ihrem verstorbenen Vater antike Möbel geerbt hatte und aus dem sächsischen Koßwig holen wollte, wusste niemand, wohin damit. Um keinen Preis der Welt hätte sie das Vertiko von 1910, den Tisch mit Stühlen und ein Klavier verkaufen oder gar auf den Sperrmüll geben wollen, weil ihr Herz und Erinnerungen dran hängen. Doch in der Wohnung war kein Platz mehr dafür, das eigene Haus erst im Bau. Nun warten die Schätze in einer Box auf ihren endgültigen Umzug. Die 120 Euro im Monat zahlen Kieningers gern.

"Wir haben ein Drittel gewerbliche und zwei Drittel private Kunden", erzählt die Stuttgarter Mitarbeiterin Martina Eitner. Etwa Geschäftsleute, die Waren über das Internet verkaufen und hier lagern. Oder eine Galerie, die Platz braucht für Gemälde. Andere nutzen die Box für Reifen oder Balkonmöbel, ein Dritter bewahrt hier seine Sammlung von elektrischen Eisenbahnen auf, und wieder andere finden hier bei einem Wohnungswechsel eine Zwischenlösung.

Wie Harald Quast aus Bietigheim. Der 37-Jährige musste vor einem Jahr nach der Scheidung seine Wohnung auflösen. Er selbst schlüpfte bei den Eltern unter, Freunde hätten ihn auf diese Einrichtung aufmerksam gemacht. Nun stapelt er hier für 85 Euro monatlich, was nach der Halbe-Halbe-Teilung von Küche, Schlaf- und Esszimmer übrig geblieben ist. Eine Dauerlösung? Nein, wehrt Quast ab. Die Sucherei in den Kartons sei schon manchmal nervig. Aber immer noch besser, als wenn er alles auf den Sperrmüll hätte schmeißen müssen.

Selfstorage-Möglichkeiten gibt es in Stuttgart etwa bei MyPlace, Pragstraße 130, oder bei Lagerbox Stuttgart GmbH, Leobener Straße 73/73a.