Hans-Christoph Rademann Foto: Holger Schneider/IBA

Bachakademie-Chef Hans-Christoph Rademann zum Musikfest und seinen Esembles: Nach einem „Wandelkonzert zum Wein“ in Uhlbach am Freitag startet das Musikfest Stuttgart 2014 an diesem Samstag im Beethovensaal mit Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“.

Bachakademie-Chef Hans-Christoph Rademann zum Musikfest und seinen Esembles: Nach einem „Wandelkonzert zum Wein“ in Uhlbach am Freitag startet das Musikfest Stuttgart 2014 an diesem Samstag im Beethovensaal mit Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“.

Stuttgart - Herr Rademann, entschuldigen Sie, dass ich Sie beim Proben störe.
Das ist zwischendurch schon in Ordnung. Ansonsten muss ich mich zurzeit sehr konzentrieren, aber es gibt doch nichts Schöneres, als sich mit guter Musik zu beschäftigen.
„Herkunft“ ist das Motto des diesjährigen Musikfests. Um welche Wurzeln geht es?
Zunächst einmal gibt es einen großen Bogen vom Anfangskonzert bis zum Ende: Da ist zu Beginn der komponierte Urknall in Haydns „Schöpfung“, bei dem aus einem offenen Tonraum gleichsam das ganze Leben gebaut wird. Etwas verspielt könnte man behaupten, dass die Musikfest-Akademie und das ganze Musikfest anschließend das Leben in seiner ganze Vielfalt symbolisieren, und am Ende des Musikfests steht dann das Abschlusskonzert mit Philippe Herreweghe, das mit Trauer- und Grabmusiken von Henry Purcell das Thema Tod umkreist.
„Sichten auf Bach“ ist eine Reihe, die Sie beim Musikfest 2013 ins Leben gerufen haben. Welche unterschiedlichen Perspektiven bietet diese Reihe in diesem Jahr?
Wir durchschreiten jetzt im Rückwärtsgang das Leben von Bach: Zu hören sind erst späte Leipziger Kantaten, dann mittlere Kantaten aus Weimar und im dritten Konzert frühe Kantaten aus der Mühlhausener Zeit. Dabei ist die Sicht der Bachakademie-Ensembles sicherlich am vielfältigsten, denn bei uns trifft die baden-württembergische Karl-Richter-Tradition meines Amtsvorgängers Helmuth Rilling auf die sächsische, die durch meine Arbeit mit dem Rias-Kammerchor auch preußisch beeinflusst wurde. Hinzu kommen die Sichten des Freiburger Barock-Consorts und die profunden Erkenntnisse über Bach, die Konrad Junghänel und sein Ensemble Cantus Cölln in langjähriger Arbeit gewonnen haben.
Ihre „Sichten auf Bach“ zeigen eine Vielfalt von Annäherungsweisen auf.
Wir fordern dazu auf, sich gegenüber unterschiedlichen Standpunkten zu öffnen. Auch bei Bach gibt es nie nur eine Wahrheit.
Das Freiburger Barockorchester ist in diesem Jahr Residenz-Ensemble des Musikfests. Ein erster Schritt hin zu einem regelmäßigen Musizieren mit historischen Instrumenten in Stuttgart?
Es wird bei der Bachakademie auch in Zukunft ein Musizieren mit modernen Instrumenten geben, aber parallel werde ich eben auch mit alten Instrumenten arbeiten. Ich denke viel darüber nach, ob und wo man die Klangfarben der alten Instrumente entbehren kann und wo nicht. Zu welchem Ergebnis ich am Ende kommen werde, kann ich jetzt noch nicht sagen. Das ist ein Prozess.
Vor allem ein Chor, der von alten Instrumenten begleitet wird, singt und klingt anders.
Das ist keine Frage. Deshalb werden wir unsere Aufführung von Bachs h-Moll-Messe im Januar 2015 mit dem Freiburger Barockorchester auch auf CD aufnehmen.
Welche Konzerte würden Sie jemandem empfehlen, der erstmals zum Musikfest kommt?
Den Richard-Strauss-Abend mit den Münchner Philharmonikern: Der Jubilar Strauss sollte auch in Stuttgart ein Aufreger sein, und mit Semyon Bychkov haben wir einen Dirigenten gefunden, der auf diesem Gebiet eine Koryphäe ist. Empfehlen würde ich außerdem Händels „Solomon“, denn das ist ein geniales Stück, in dem Händel dem Publikum zeigen will, was Musik ist. Im dritten Akt führt Solomon der Königin von Saba ja verschiedene Musiken vor, um ihr Herz zu gewinnen. Das ist ein wundervolles Musikstück im Musikstück, bei dem man auch hört, wie sich der Klang des Chors verändert, wenn er von historischen Instrumenten begleitet wird. Außerdem sollte man unbedingt die Gelegenheit wahrnehmen, den Dirigenten Neville Marriner noch einmal zu erleben. Und Roger Norringtons Sicht auf Dvorák könnte auch hochinteressant werden.
Was erwarten Sie vom neuen, experimentellen Format des „Bach.Lab“, das die Macher des Esslinger Podium-Festivals konzipiert haben?
Diese Leute da sind toll, unglaublich kreativ. Sie zeigen, was mit Bachs Musik passiert, wenn man sie in neue Zusammenhänge stellt: wenn man sie also etwa im Dunkeln hört oder wenn man aus ihr eine Party werden lässt. Das ist eine Einladung an alle, die traditionelle Klassik-Konzerte verstaubt finden.
Ein Aspekt des Themas „Herkunft“ verweist auf Ihre eigenen Wurzeln: die Ausstellung und das Konzert „Aus Mitteldeutschland“. Was macht diesen geografischen Raum interessant?
Wir beschäftigen uns beim Musikfest zentral mit Bach, und es ist spannend zu schauen, dass dieser Komponist aus einer Gegend stammt, aus der so viele andere Komponisten auch stammen. Es ist hochinteressant, Zusammenhänge zwischen der Musik und dem Landstrich herzustellen.
Zuletzt noch ein Blick auf die Ensembles der Bachakademie. Was haben Sie mit der Gächinger Kantorei und dem Bach-Collegium schon erreicht, und in welche Richtung wollen Sie mit beiden noch weitergehen?
Die Gächinger Kantorei ist der am schnellsten arbeitende Chor, den ich kenne. Mit diesen Sängern habe ich jetzt in nur drei Tagen drei Bach-Kantaten, den „Solomon“ und „Die Schöpfung“ erarbeitet und noch das Magnificat von Carl Philipp Emanuel Bach geprobt. Die Sänger sind einfach exzellent vorbereitet. Natürlich braucht man bei jedem Chor Zeit, um einen eigenen Klang zu formen, und ich bin schon ein Klang-Fetischist. Der Klang ist für mich das absolut Wichtigste bei einem Chor. Ich will aus diesem Chor ein Ensemble machen, das wirkt wie zwei, drei kleine Kammerensembles , die sich zu einem Kammerchor vernetzt haben. Der Klang der Gächinger wird durch mich jetzt sicherlich anders, aber das muss so sein, denn dieser Chor wird auch einmal mein Aushängeschild sein. Ich glaube fest an eine sehr gute Zukunft der Gächinger Kantorei. Auch im Bach-Collegium sitzen exzellente Musiker, auch hier arbeite ich an Stil und Klang, aber da ich hier auch mit anderen Orchestern zusammenarbeiten, bin ich mehr mit dem Chor zusammen und kann ihm deshalb eher meinen Stempel aufdrücken.