Der Chorleiter Ulrich Mangold lässt die Sänger anfangs erst mal Lockerungsübungen machen. Foto: Kathrin Wesely

Die Musikakademie für Senioren nährt die Wissbegierde und die Freude am Singen und Musizieren. Sie will überdies fit und glücklich machen. Und gesellig ist sie auch noch.

S-West - Duwiduwiduwiduwidu“. Etwa 50 Ruheständler singen sich im Paul-Gerhardt-Gemeindezentrum warm. Ohren und Kiefer haben sie bereits gelockert, die Beine geerdet, den Stand gefestigt. Die Chorprobe mit Ulrich Mangold kann beginnen. Einmal wöchentlich treffen sich die Sänger im Westen, um gemeinsam klassische Chorliteratur, internationale Volkslieder, Schlager oder Gospelsongs einzustudieren. „Der Frühling ist ausgebrochen!“, ruft Mangold seinen Sängern aufmunternd zu. Doch die Herrschaften sind schon von allein ganz Sonnenschein, da könnte es draußen Bindfäden regnen. Sie kommen gern zu ihrem wöchentlichen Singtermin.

Die Fähigkeiten und Erfahrungen, die seine Chormitglieder mitbringen, seien sehr unterschiedlich, sagt der Kirchenmusiker Mangold. „Manche singen schon ihr Leben lang. Andere haben früher mal gesungen, im Berufsleben aber nicht mehr die Zeit dafür gefunden, und im Alter gab’s keine Möglichkeit mehr.“ Denn leistungsorientierte Chöre würden keine Senioren aufnehmen, erklärt Mangold. Die Sänger selbst wollten meist auch gar nicht in irgendeinem Vorsingen brillieren, „es geht ihnen hauptsächlich um die Freude am Singen“. Aber klandestin im Kämmerlein singen die Herrschaften auch nicht. Beim Kirchentag und bei der Waldweihnacht der Förster mussten sie ran.

Weil die Möglichkeiten zum Mitsingen und -musizieren für Ältere rar ist, kam Mangold die Idee, für diesen Personenkreis passgenaue Angebote zu entwickeln. 2012 gründete sich auf seine Initiative der Verein Musikakademie für Senioren Baden-Württemberg, im Jahr darauf wurde das erste Programm gedruckt, ein Chor, ein Orchester und eine Band formierten sich. Die Akademie bietet ihren Eleven seither neben den regelmäßigen Musikproben auch Vorträge, Seminare, Workshops und Exkursionen. Ihr Ziel ist es, die Senioren durch anspruchsvolle musikpädagogische Angebote zusammenzuführen und zu fördern. Manchem Teilnehmer eröffne sich die Chance, „Kinder- oder Jugendträume zu verwirklichen“, sagt Mangold, der im Verein als künstlerischer Leiter fungiert.

Gerne betont er auch, welche weiteren Aspekte des Lebens die Akademie positiv beeinflusst. „Das gemeinsame Singen, Musizieren und Studieren im Rahmen der Musikakademie führt Menschen zusammen und ist ein wichtiger Beitrag gegen soziale Vereinsamung im Alter.“ Auch intellektuell würden die Teilnehmer auf Trab gehalten, weil Lernen geistig fit halte. Zudem würden die eigenen Ressourcen gestärkt: „Das aktive Musizieren weckt die Lebensfreude, stärkt das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und trägt zu einer positiven Lebenseinstellung bei.“ Ein wichtiger Aspekt sei auch, dass die Proben und Seminare tagsüber stattfinden. „Da haben die Leute Zeit.“

Mit der Musikakademie für Senioren hat Mangold offenbar einen Nerv getroffen, der Zulauf ist enorm. Mehr als 130 Mitglieder zählt der noch junge Verein, 70 Sänger umfasst der Chor, Band und Orchester können eigentlich keine neuen Musiker mehr aufnehmen. Die Leute kommen aus sämtlichen Stadtbezirken angefahren. Über eigene Räume verfügt der Verein nicht. Aber für die Musikproben darf der Verein Räume im Paul-Gerhardt-Gemeindezentrum nutzen, und Mangold ist als Kantor und Organist an der Paul-Gerhardt- und an der Diakonissenkirche gut vernetzt und stets um komfortabel erreichbare Veranstaltungsorte bemüht wie den Treffpunkt 50 Plus am Rotebühlplatz oder den Hospitalhof, wo am heutigen Montag eine neue Veranstaltungsreihe der Musikakademie beginnt (siehe „Neue Reihe beginnt“).