Kevin Tarte am Mittwochabend beim stürmisch bejubelten Auftritt mit seinem Solo-Programm in Stuttgarter Renitenz-Theater. Foto: Klaus Schnaidt

Überraschend ist Musicalstar Kevin Tarte doch noch zur Hauptrolle bei „Tanz der Vampire“ gekommen. Nach Krankheitsfällen im Ensemble ist der deutsche Ur-Krolock, den die Stage Entertainment zum Ärger der Fans erst nicht wollte, im Stuttgarter Palladium-Theater eingesprungen.

Stuttgart - Erst gaben sie ihm einen Korb, dann haben sie ihn ganz dringend gebraucht: Die Macher des Grusicals „Tanz der Vampire“ können froh sein, dass Kevin Tarte nicht nachtragend ist. Im Palladium-Theater ist der Stuttgarter Musicalstar nach mehreren Krankheitsfällen des Ensembles als Graf Krolock kurzfristig eingesprungen. Ohne den schnellen Einsatz des US-Amerikaners, den Roman Polanski im Jahr 2000 persönlich für die Hauptrolle ausgesucht hatte, die er fünf Jahre lang in zwei Spielzeiten im SI-Centrums verkörperte, hätte die Stage Entertainment über 1500 Besucher nach Hause schicken müssen.

Tarte hat „Tanz der Vampire“ in Stuttgart groß gemacht

Gerade erst war Tarte von Konzerten mit einer Big Band aus dem russischen Sankt Petersburg zurückgekehrt, wo er am vergangenen Wochenende im dortigen Theater vor 3000 Zuhörern aufgetreten ist. Da ereilte ihn der Notruf aus dem Palladium. Anfang des Jahres hatten viele Fans die Welt nicht verstanden, als die Stage Entertainment bekannt gab, bei der Rückkehr der Vampire nach Stuttgart auf den in Möhringen lebenden Ur-Krolock zu verzichten, den viele für den besten Chefvampir aller Zeiten halten. Doch die Musicalmacher wollten lieber einen jüngeren, öfter einsetzbaren und wohl kostengünstigeren Darsteller engagieren. Nicht mal zur Premiere der Wiederaufführung hatten die Theaterleute den altgedienten Bühnenhelden als Gast eingeladen und sich deshalb viel Kritik wegen mangelnden Respekts vor einem Darsteller eingehandelt, der das Musical in Stuttgart groß gemacht hat.

Das alte Krolock-Kostüm passte noch

Erst wenige Stunden vor dem frühen Showbeginn um 18.30 Uhr hatte der in Seattle geborene Amerikaner erfahren, wie eng es im Ensemble an diesem Tag war. Der einzige Sänger, der als Krolock-Cover einspringen konnte, musste den ebenfalls erkrankten Wirt Chagall vertreten. Sofort eilte der deutsche Ur-Krolock ins Theater, um die Rolle zu proben, die er viereinhalb Jahre nicht mehr gespielt hatte. Die Inszenierung der Show, die gerade in Stuttgart aufgeführt wird, ist eine abgespeckte Tour-Version des Originals. Tarte musste sich also auf Veränderungen einstellen. Die Theaterleute fanden sein altes Krolock-Kostüm, das ihm noch passte, worüber sich dieser kurz vor seinem 60. Geburtstag freute. In der Aufführung, so berichteten Fans, habe er „alles gegeben“ und für „Gänsehaut gesorgt“, die sie zuvor in der Inszenierung nicht immer gespürt hätten. Jetzt hoffen sie scherzeshalber auf weitere Krankheitsfälle, damit es nicht der einzige Einsatz ihres Idols war.

Runder Geburtstag am 15. März

Wie großartig Kevin Tarte die „Unstillbare Gier“ singt, bewies er am Abend darauf bei seinem Solo-Konzert mit Band im ausverkauften Renitenz-Theater. Der Sänger mit der herausragenden Stimme ist auch als Erzähler und Schauspieler gewachsen. So ausdrucksstark und facettenreich ist er, als habe das Musical seinen Brandauer gefunden. Fast scheint es, als wären alle Songs aus Jazz, Soul, Pop, Country und Musical, die er an diesem Abend präsentierte, extra für ihn geschrieben worden – für seine Art, mit viel Kraft, aber auch mit Zärtlichkeit den Geist eines Songs zu erfassen. Seine Bariton- und Tenorstimme agiert vollkommen sicher, ob mit sanfter Fülle oder in feurigen Höhen.

Mit dem runden Geburtstag, den er am 15. März feiert, hat sich der Sänger arrangiert. „Der Fünfzigste war viel schlimmer für mich“, sagt er, „da hatte ich die Krise.“ Das Älterwerden steht ihm gut. Es gibt ihm eine Gelassenheit und ein kluges Über-den-Dingen-Schweben, passend zu seiner fantastischen Combo, die selbst komplizierte Rhythmen leichtfüßig und cool swingen lässt. Sein Publikum ist aus dem Häuschen und spürt: Auf die Alten kann man nicht verzichten, weil sie manches einfach besser können. Obwohl: Kevin Tarte ist nicht alt, sondern nur länger jung.