Werbung für die Kultur scheint nicht dringlich. Schon die Keltenausstellung brachte dem Landesmuseum im vergangenen Jahr ein Besucherplus von sieben Prozent – im Vergleich zu anderen ist das wenig. Foto: Achim Zweygarth

Werbung im Stadtzentrum unterliegt strengen Regeln. Für Kultureinrichtungen gelten künftig Ausnahmen. Die scheinen unnötig. Die Museen der Stadt melden Besucherrekorde.

S-Mitte - Grundsätzlich unterliegt die Reklame im Zentrum Stuttgarts strengen Regeln. Wie wo für was geworben werden darf, hat der Gemeinderat in den sogenannten Sondernutzungsrichtlinien Innenstadt festschreiben lassen, detailgenau: Mit einem Plakat vor der Brust darf ausschließlich durch die Stadtmitte gehen, wer für eine politische Partei werben möchte. Faltblätter dürfen Fußgängern nur mit Genehmigung an zuvor festgelegten Standorten gereicht werden. Nebenbei sind Straßenmusikanten sogar die Instrumente vorgeschrieben, auf denen sie spielen dürfen.

„Bisher haben wir gesagt: Marketing ist Marketing“

Seit der vergangenen Woche gibt es zum Regelwerk allerdings eine Liste mit Ausnahmen. „Kultureinrichtungen, die in einem besonderen öffentlichen Interesse liegen“, so heißt es in einem nachträglich beschlossenen Papier, dürfen für ihre Belange werben. Bis zu zwei Wochen können die Kulturschaffenden für ihre Veranstaltungen trommeln – wenn auch nur mit Genehmigung. Bisher „haben wir gesagt, Marketing ist Marketing, gleich ob Museum oder Versicherung“, sagt Dorothea Koller, die Leiterin des Ordnungsamts. Der Auftrag, die Richtlinien zu ändern, kam von der Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann.

Der Gemeinderat hatte gegen die Liste der Ausnahmen zur Regel keine Bedenken. Wohl aber der Bezirksbeirat. Die Lokalpolitiker nervt grundsätzlich die Flut von Veranstaltungen, bei denen schwer zu entscheiden ist, ob ihr Zweck ein edler, Unterhaltung oder Geschäft ist. Ein Beispiel ist die Eisbahn, die über die Winterzeit am Rand des Schlossplatzes steht. Der Andrang an den sie umrundenden Essens- und Getränkebuden ist bei Weitem größer als der an der Schlittschuhkasse. Der Bezirksbeirat lehnte die Ausnahmeregeln für die Kultur ab. Dies trotz der sicheren Ahnung, dass der Gemeinderat das unterste politische Gremium überstimmen würde.

Für ein Nein gibt es durchaus gute Gründe

Dabei hätte es für ein Nein durchaus gute Gründe gegeben. Zuoberst den, „dass bei der Keltenausstellung überhaupt nicht reinzukommen ist“. So sagte es Rita Krattenmacher, die für die Gemeinschaft von SÖS und Linken im Bezirksbeirats sitzt. In der Tat war schon die Keltenausstellung ein Publikumserfolg. Für die aktuelle Schau über die Zaren rühmt sich das Landesmuseum etwa monatlich des Publikumserfolgs. Die Zahl der Besucher stieg 2013 im Vergleich zum Vorjahr um gut sieben Prozent – damit vergleichsweise gering. Das Kunstmuseum meldet ein Plus von knapp 16, das Haus der Geschichte eines von fast 19 Prozent.

Überdies „sind die Kriterien sehr weich“, sagte Annegret Breitenbücher für die Grünen, „wenn ein Musical Kultur ist, schwingt demnächst Tarzan über die Königstraße“. Sie selbst sei schon in der Vergangenheit „während einer Fortbildung von King Kong beschallt worden“. Die Furcht, dass durchaus andere als das Landes- oder Kunstmuseum den Titel der Kultureinrichtung für sich beanspruchen und Reklamefreiheit verlangen könnten, einte alle Fraktionen. Zumal „Kooperationen mit kleineren Kultureinrichtungen“ ausdrücklich erlaubt sein sollen. Womit nach dem Buchstaben der Richtlinie die Zahl der eigentlich auf zwei pro Jahr begrenzten Werbeauftritte durchaus zu steigern wäre.

Faktisch sei zwischen „den Werbeauftritten von Museen und Firmen kein Unterschied zu erkennen“, sagt Breitenbücher, „das machen bei beiden Marketingagenturen“. Ein schon in der Vergangenheit beklagtes Beispiel ist die nächtliche Beleuchtung des Alten Schlosses mit Slogans. Die erfolgt von „einem Furunkel auf der Stele vor dem Haus“, sagt die Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle. Die Stele hat der Architekt Jörg Esefeld entworfen. Sie war von Anfang an zur „Außenwerbeanlage“ erklärt worden, aber dass sie inzwischen zum Diaprojektor umfunktioniert wurde, sagt Kienzle, „ist für den Architekten ein Schlag ins Gesicht“.