Ausgezeichnet wurden am Ende, auch mit Hilfe des Publikums: Emma Schmälzle (alias Gaby Parquette) Foto: Linsenmann

Ein altes Geschirrtüchle spielte eine wichtige Rolle bei der Siegerkür im Mundartwettbewerb.

Stuttgart-Zuffenhausen - „Heidanei!“, möchte man da fast rufen, „dass es das noch gibt!“ Jedenfalls ist es jedes Mal von Neuem ein erstaunliches, ein schönes Bild, wenn der Bürgerverein Zuffenhausen zum Mundart-Wettbewerb bittet: Ein Saal voller Menschen sitzt da und lauscht mehr als einen halben Samstagnachmittag lang aufmerksam den Poeten auf dem Podium. Und das Bild ist auch dann noch ganz apart, wenn diesmal an den Tischen im Bonhoeffer-Haus ein paar Lücken klafften.

Schlicht einmalig findet Helmut Mattern, der die 18. Auflage des Wettbewerbes so kundig wie launig moderierte, diese Veranstaltung des Bürgervereins. Eine Art Bollwerk zur Verteidigung des Schwäbischen angesichts einer realen Gefahr: „Der Dialekt geht mehr und mehr verloren, und das fängt in der Schule an. Dabei könnte das Schwäbische gerade für uns Württemberger ein wichtiges Stück unserer Identität sein. Da sollten wir selbstbewusst sein und uns an den Bayern und Sachsen ein Beispiel nehmen.“ Schließlich sprach aus Mattern auch der Mundartdichter: „Im Dialekt kann man vieles, was die Seele bewegt, besser ausdrücken.“ Ein Bekenntnis, das ganz auf der Wellenlänge der sieben Kandidatinnen und Kandidaten auf dem Podium lag. In zwei Runden von jeweils etwa zehn Minuten trugen sie ihre Texte vor, wobei mit Wilfried Albeck aus Flein ein heimlicher Favorit um den Poeten-Thron den Auftakt machte. Seine Texte jedenfalls verrieten in Form und Inhalt einigen literarischen Ehrgeiz. Eine deftige Ballade auf die Völlerei ebenso wie witzige Rollenprosa oder ein „Weckle-Text“, der Widersinnigkeiten modernen Marketings humorvoll aufspießte. Und seine „Herzkirscha“ sind ein wahrlich schelmischer Beitrag zur Nachbarschaftspflege...

Rolf Gerlach kann mit seinen Gedichten locker jeden Saal rocken

Eher beschaulich-bescheiden gab sich daneben Ruth Bader aus Stammheim. Ein richtig anrührendes, rund geformtes Stückchen Prosa war aber ihr „Bittbrief an den lieben Gott“. Ein herzenswarmer Text über versteckte Armut, mit einer sehr überraschenden, witzigen Wendung.

Harald Fischer aus Mössingen wiederum knüpfte da an, wo er vor zwei Jahren aufgehört hatte: bei einem inzwischen veröffentlichten Krimi, in moderatem Schwäbisch verfasst. Ein durchaus hintersinniges Stück Prosa, wie auch die von Fischer im zweiten Durchlauf vorgetragenen Aphorismen. Teils sehr geschliffen, nachdenklich und raffiniert dialektisch gespannt, allerdings auch ein wenig selbstverliebt.

Im Gegensatz dazu könnte Rolf Gerlach aus Pleidelsheim mit seinen Mundart-Gedichten locker jeden Saal rocken. Das ist absolut anschauliche, auch saftige Mundart, die immer mit traumwandlerischer Sicherheit auf die effektvolle Pointe zusteuert. Und in „Lehmbolla“ illustriert er mit geduldig entwickeltem Anlauf die Mühen der Aufklärung unseres Nachwuchses, wenn´s Fritzle all die Storchen-Geschichten schließlich so kommentiert: „Quatsch mit Soß / I han des Deng en meiner Hos.“

Emma Schmälzle wurde schließlich zur Siegerin gekürt

Mit Spannung wurden die Auftritte von Lokalmatadorin Hildegard Kieferle erwartet. Die „Titelverteidigerin“ trug zwei Langgedichte vor, in denen sie sich einmal mehr als gewitzte und humorvolle Chronistin des Ortsgeschehens zeigte. Aufhorchen ließ Gaby Parquette aus Wüstenrot, die sich als Dichterin Emma Schmälzle nennt, mit ihren feinfühligen Gedichten, die in Alltagsmomenten verborgenen Mentalitätsspuren nachspüren. „S`Babyle“, „Hend“ oder „Hosaträger“. Und schließlich im Gedicht „Abtrocknadiachle“, in dessen Verschleiß sich Generationen spiegeln – bis zu den bitteren Tränen der Oma. Bei der heimischen Sabine Rosien wiederum setzte sich gleich der Eindruck fest, dass sie sich dieses Mal an den Sieg heranpirschen könnte, nachdem sie bei ihrer Premiere 2010 Dritte geworden war. Immerhin reichte es zum zweiten Platz der Jury-Wertung, wobei Erhard Hönes bei der Begründung den Nagel auf den Kopf traf: „Das sind Texte, die gegen den Strich gehen und Widerstand zeigen.“ Der Satz aus „Oba bleiba!“ etwa: „Wieder mol a Loch verhindert / Ond mir wared au dabei“ hat eine Reichweite, die zu weiterem Gebrauch einlädt. Über den Vorgarten und S 21 hinaus. Und genau so trifft auf Rosiens Prosa das Kriterium der Jury, wonach „aktuelle Mundart-Dichtung grundsätzliche Fragen unseres Lebens aufgreifen und darstellen sollte“.

Da dies auch für Emma Schmälzles Texte gilt, diesen zudem „dialogische Qualität“ zugesprochen wurde, Schmälzle außerdem auf einnehmende Weise vorzutragen weiß, wurde sie schließlich zur Siegerin gekürt. Der dritte Platz ging an Rolf Gerlach, der sich daneben noch den Titel des Publikums holte, das separat abgestimmt hatte. Zweiter wurde hier Wilfried Albeck, Dritte Hildegard Kieferle. Ein Quintett, das sich durch eines verbunden weiß: Durch den selbstbewussten Gebrauch des Schwäbischen.