Russlands Außenminister Sergej Lawrow hält den Kalten Krieg nicht für überwunden. Foto: dpa

Was auch immer US-Präsident Donald Trump mit Russland vorhat – Außenminister Lawrow formuliert bei der Münchner Sicherheitskonferenz erneut eine scharfe Anklage gegen die Nato. Allerdings geht es im Ukraine-Konflikt voran: Dort ist eine Waffenruhe das neue Ziel: ab Montag schon.

München - Es ist zehn Jahre her, dass Russlands Präsident Wladimir Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz eine scharfe Anklage gegen den Westen richtete. Seine Kritik entzündete sich vor allem an den Plänen, in osteuropäischen Staaten ein Raketenabwehrsystem zu errichten. Putin forderte Sicherheitsgarantien von der Nato und die Abkehr von einer unipolaren Welt. An diesem Samstag erinnert Außenminister Sergej Lawrow an den damalige Weckruf und legt nach: „Die Warnungen haben nicht Gehör gefunden“, sagt er. „Die Nato ist nach wie vor eine Institution des Kalten Kriegs – sowohl im Denken als auch im Herzen.“ Der Kalte Krieg sei „noch nicht überwunden“.

Es ist eine düstere Bestandsaufnahme des Russen, der seit vielen Jahren zu den festen Größen der Sicherheitskonferenz gehört. Schon im Vorjahr hatte er sich in München bitter beklagt und den Begriff des Kalten Kriegs mahnend auf die Tagesordnung gehoben. Nun richtet sich seine Kritik vor allem gegen die EU, die noch nicht die Stärke habe, um eine unabhängige Politik gegenüber Russland zu betreiben. Diese würde vielmehr „Russland-phobischen Elementen“ geopfert. Es könne nicht funktionieren, dass eine Art „Eliteclub von Staaten“ die Welt regiere.

Kein Wort zu Trump

Pragmatische Beziehungen fordert der Außenminister in seinem kurzen Statement. Dies gilt auch den USA: Es sei im russischen Interesse, die gemeinsamen Verbindungen zu stärken. „Wir sind bereit dazu, wenn die Vereinigten Staaten dazu bereit sind.“ Damit ist die mögliche Hinwendung von US-Präsident Donald Trump zu Wladimir Putin aber auch schon abgearbeitet. Kein gesondertes Wort über Trump. Offensichtlich sind die Signale aus Washington zu widersprüchlich, um sich eindeutig darüber auszulassen. Viel Raum für Versöhnliches lässt der Chefdiplomat des Kreml-Chefs jedenfalls nicht. Vielmehr zielt er auf eine „post-westliche Weltordnung“, deren Kennzeichen es ist, „dass jedes Land durch seine eigene Souveränität definiert wird“.

In der Fragerunde attackiert Lawrow das westliche Verteidigungsbündnis, das infolge der Krimkrise den Nato-Russland-Rat vor drei Jahren ausgesetzt hatte. Auf Botschafterebene könne dessen Tätigkeit zwar weitergeführt werden, habe ihm Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg gerade versichert. Doch die praktische Zusammenarbeit bleibe auf Eis gelegt. „Wir machen die gleichen Fehler immer wieder“, stöhnt der Russe. Ohne praktische Kooperation „sind alle Worte leer“. Nun müsse der Westen aber den Worten Taten folgen lassen. Nachdem das Westbündnis stattdessen seine Präsenz an der russischen Grenze verstärkt habe, müsste man die Lage dort genau analysieren. Wenn die Zahlen auf dem Tisch lägen, werde das Gesamtbild offensichtlich werden. Dies könne der Ausgangspunkt für zusätzliche Maßnahmen werden.

Wahlbeeinflussung? „Zeigen Sie mir Fakten!“

Wie wenig Vertrauen derzeit herrscht, machen die schweren Vorwürfe von Wahlbeeinflussungen durch russische Hacker in den USA sowie weiteren Aktivitäten in Deutschland und Frankreich deutlich. Lawrow lässt sich von entsprechenden Vorhaltungen nicht beeindrucken. „Ich habe keine Fakten gesehen“, sagt er. „Zeigen Sie mir die Fakten!“ Und er erinnert an die Ausspähung insbesondere deutscher Regierungsmitglieder durch den US-Geheimdienst CIA. „Da gab es wirklich Fakten.“ Immerhin sei Russland das erste Land gewesen, das vor vielen Jahren eine Initiative für mehr Cybersicherheit bei den Vereinten Nationen angemahnt hätte – dem sei der Westen nicht gefolgt. Thema erledigt, schon springt er zum nächsten Punkt.

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Auf die Frage von Exverteidigungsminister Franz Josef Jung, ob Russland nicht ein positives Signal des Vertrauens im Hinblick auf die Umsetzung des Minsker Abkommens setzen wolle, gesteht Lawrow Verstöße der prorussischen Kräfte in der Ostukraine ein. „Beide Seiten haben Fehler gemacht.“ Dies gilt demnach für den Abzug schwerer Waffen, das Verschwinden von Gerät und die Verletzungen der Kontaktlinie. Auf der östlichen Seite gebe es aber mehr Zerstörungen, verursacht durch die ukrainischen Streitkräfte, behauptet Lawrow. „Kiew profitiert davon, dass wütende Radikale dort tätig sind.“

Waffenruhe für die Ostukraine angestoßen

Im Anschluss treffen sich die Außenminister Deutschlands und Frankreichs, Sigmar Gabriel und Jean-Marc Ayrault, mit Lawrow und dem ukrainischen Amtskollegen Pawlo Klimkin im sogenannten Normandie-Format, um die Umsetzung des Minsker Vertrags wieder in Schwung zu bringen. Am Samstagnachmittag dann die Überraschung: Gabriel und Ayrault verkünden, dass die Regierungen in Moskau und Kiew auf die Konfliktparteien in der Ostukraine einwirken wollen, um vom 20. Februar an einen Waffenstillstand in der Ostukraine zu erreichen. Alle Seiten wollten ihren Einfluss auf die Konfliktparteien nutzen. Die Gefechte waren zuletzt wieder stark aufgeflackert – was etliche Menschenleben kostete.

Abzug des schweren Geräts von der Frontlinie

Man habe sich ferner darauf verständigt, dass ab Montag die schweren Kriegsgeräte gesichert und von der Frontlinie zurückgezogen werden sollen. Die OSZE-Beobachter in der Region müssten die Möglichkeit erhalten, die Einhaltung der Feuerpause zu kontrollieren. Ferner soll das Internationale Rote Kreuz einen humanitären Zugang zum Krisengebiet erhalten und einen Austausch von Gefangenen organisieren. Sodann wolle man sich bald, vielleicht schon in drei Wochen, wieder treffen. „Ohne eine Waffenruhe und einen Abzug des schweren Geräts ist der Prozess nicht in Gang zu bringen“, betont Gabriel, der die „gute Atmosphäre“ des Gesprächs lobt. „Wir appellieren auch an diejenigen, die derzeit die Straßen und Schienen blockieren, diese Blockade aufzugeben.“

Die Amerikaner wollen sich demnach nicht an das Normandie-Format anhängen – es sei das Beste, die bisherige Zusammensetzung beizubehalten, sagt Gabriel. Dies habe auch US-Außenminister Rex Tillerson so akzeptiert. Und Ayrault pflichtet bei: „Es gibt keine Alternative zu dem Format.“