Die Müll-Menge geht zurück, aber die Stadt Stuttgart muss gleich viel an die EnBW zahlen. Foto: dpa

Zwischen der Landeshauptstadt und der Energie Baden-Württemberg (EnBW) steht neben dem Rechtsstreit um den Rückkauf der Trinkwasserversorgung die nächste juristische Auseinandersetzung an. Auslöser ist der seit 2003 gültige Vertrag über die Müllverbrennung. Haushalten drohen von 2015 an Mehrkosten.

Zwischen der Landeshauptstadt und der Energie Baden-Württemberg (EnBW) steht neben dem Rechtsstreit um den Rückkauf der Trinkwasserversorgung die nächste juristische Auseinandersetzung an. Auslöser ist der seit 2003 gültige Vertrag über die Müllverbrennung. Haushalten drohen von 2015 an Mehrkosten.

Stuttgart - Seit zehn Jahren herrscht für die Bürger in Stuttgart Ruhe an der Müllgebührenfront. Der städtische Abfallwirtschaftsbetrieb (AWS) konnte die Preise für die Restmüllabfuhr sogar durch eine Einmalzahlung der Stadt an die Energie Baden-Württemberg (EnBW) und stetige Rationalisierung mehrmals senken. Ab 2015 könnte sich das Blatt wenden. Dann muss auch Stuttgart der bundesweiten Vorgabe zur Sammlung und Verwertung von Biomüll entsprechen. Damit kommen eine neue (braune) Tonne und kämen Mehrkosten für deren Abfuhr auf alle Haushalte zu.

Diese Mehrkosten für die bisher in Stuttgart freiwillig bestellbare Biotonne (58,20 Euro pro Jahr für den 120-Liter-Eimer) und den Aufbau einer 11,5 Millionen Euro teuren Abfall-Vergärungsanlage bei Zuffenhausen will der Abfallwirtschaftsbetrieb durch geringere Verbrennungskosten ausgleichen, schließlich wandert der Biomüll aus der Restmülltonne in den neuen Eimer. Das aber lässt der zehn Jahre alte Vertrag mit der EnBW nicht zu. Er verpflichtet die Stadt zur Anlieferung von 225 000 Tonnen Restmüll pro Jahr. Dazu hat die Stadt 2003 ein Konsortium mit dem Rems-Murr-Kreis und dem Landkreis Esslingen gebildet. Stuttgart allein muss in diesem Trio 110 000 Tonnen Restmüll bereitstellen. Mehrmengen nimmt die EnBW gegen Gebühr gerne ab, eine Mindermenge und damit Reduzierung der Rechnung ist im Vertrag aber ausgeschlossen. Esslingen und Rems-Murr können ihre Verpflichtungen voraussichtlich weiter erfüllen. Stuttgart wird dies von 2015 an nicht mehr schaffen.

Die Luft in den Mülltonnen nimmt schon seit einigen Jahren zu. Mit der flächendeckenden Biomüllabfuhr werden nach Berechnungen des AWS bald 14 000 Tonnen, also mehr als zehn Prozent der festgeschriebenen Menge, fehlen.

Keine Glaube mehr an eine gütliche Lösung

„Unser Ziel ist, dass die Müllabfuhr für den Bürger auch 2015 nicht teurer wird“, sagt Thomas Heß. Schuldzuweisungen vermeidet der AWS-Chef. „Der Verbrennungsvertrag war damals nicht falsch, keiner der Partner ist Hellseher und konnte wissen, dass die Abfallverwertung dermaßen zunimmt“. Die Gesamtmüllmenge splitte sich immer mehr auf. Heß ist ein „absoluter Verfechter der Vergärung von Biomüll“, schließlich könne bei der Umwandlung zu Kompost Wärme und Strom gewonnen und so Kohle, Öl und Gas gespart werden. 2015 soll mit dem Bau der Vergärungsanlage begonnen werden, 2016 soll sie in Betrieb gehen. Bis dahin soll der Stuttgarter Biomüll wie bisher zur Kompostieranlage nach Kirchheim gefahren werden.

Nach mehrere Gesprächsrunden mit der EnBW glaubt Technikbürgermeister Dirk Thürnau (SPD) nicht mehr an eine gütliche Lösung, also an die freiwillige Änderung des Verbrennungsvertrages. Er sieht die Stadt schon heute im Nachteil, weil sich Müll billiger als für den von EnBW verlangten Preis verbrennen lasse. Die Stadt muss laut Vertrag aktuell 141,21 Euro pro Tonne zahlen. Dass EnBW anderen Anlieferern deutlich günstigere Tarife offeriere, sei kein Geheimnis. Der Energiekonzern selbst gibt sich zugeknöpft. Man habe 2012 in Münster rund 471 000 Tonnen Hausmüll und Gewerbeabfälle verbrannt. Zum Beispiel aus Heilbronn, Hohenlohe, Schwäbisch Hall, Reutlingen Tübingen, Rottweil oder Zollern-Alb.

Zum aktuellen Streit und Preisen will sich der Konzern nicht äußern. Verträge behandelte man grundsätzlich vertraulich, die Stadt Stuttgart habe ihre Lieferverpflichtungen immer erfüllt, wenn neue Sachverhalte aufträten, „suchen wir auf dem Gesprächsweg nach fairen und partnerschaftlichen Lösungen“, heißt es.

Die Lösung könnte am Ende auch ein Gericht finden. Wenn man sich nicht einige, werde die Stadt 2014 zu Gericht gehen, sagt Thürnau. Die Chancen seien gut, denn bei Bring-or-Pay-Verträgen wie mit der EnBW (Müll anliefern oder zahlen) hätten Gericht in aktuellen Urteilen die Frage aufgeworfen, „ob sie überhaupt rechtens sind“, so Thürnau.