Nicht nur im Stuttgarter Heusteigviertel sichern Bürger ihre Mülltonnen mit Ketten und Vorhängeschlössern gegen die missbräuchliche Befüllung Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Wenn die Abfall- und Wertstoffbehälter von Fremden missbraucht werden, die dort unbefugt ihren Müll entsorgen, kann das für die Anwohner zum Problem werden. Denn die Mitarbeiter der AWS könnten Tonnen, in die das Falsche oder zu viel eingefüllt wurde, ungeleert stehen lassen.

Stuttgart - Was nicht niet- und nagelfest ist, das wird mitgenommen. Also gestohlen. Zumindest scheinen das viele Menschen zu glauben, geht man danach, was sie alles festketten, anbinden und zuzurren: Kinderwagen vor Geschäften, Gießkannen auf dem Friedhof, Mülltonnen vor der Hofeinfahrt. Aber halt: Mülltonnen?

Tatsächlich: Um den Deckel einer Abfalltonne im Stuttgarter Heusteigviertel ist eine schwere eiserne Gliederkette gelegt worden, versehen mit einem Vorhängeschloss. Diese Tonne ist keineswegs das einzige Exemplar in der Landeshauptstadt, das so gesichert ist. Doch wer bitteschön sollte denn Müll stehlen wollen?

Um Diebstahl geht es freilich weniger – wenngleich manch ein Flaschensammler auch mal im Hausmüll nach Flaschenpfand suchen mag -, sondern darum, dass Anwohner vermeiden wollen, dass ihre Abfallbehälter von anderen missbraucht werden. „Bei uns haben irgendwelche Nachbarn immer ihre Müllsäcke entsorgt“, sagt ein Friseur aus dem Heusteigviertel, dem eine der abgeschlossenen Tonnen gehört – und der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Ulla Allgaier, Sprecherin der Abfallwirtschaft Stuttgart (AWS), kennt das Phänomen: „Dass Bürger ihre Abfall- und Wertstoffbehälter verschließen, geschieht meist an den Stellen, wo die Behälter nicht anderweitig eingehaust werden können, um zu verhindern, dass Abfälle jeglicher Art durch Unbefugte über den Behälter entsorgt werden“.

Mülltonnenverriegelungen gibt’s im Internet

Im Internet bieten gleich mehrere Firmen professionelle Mülltonnenverriegelungen an – es gibt also tatsächlich einen Markt dafür. Auch die Anbieter werben mit dem Versprechen, dass durch das Schloss kein Fremdmüll mehr in der Tonne lande.

Aber warum sollte ein bisschen Müll von einem Nachbarn oder einem Passanten stören? Müll ist doch gleich Müll – und der wird doch sowieso regelmäßig von den Müllmännern abgeholt.

Weit gefehlt. Denn bekanntermaßen ist Abfall eben keineswegs gleich Abfall, gibt es doch Restmüll, Biomüll, Altpapier, den Gelben Sack, Sperrmüll – und Sondermüll. Und wenn Abfall- und Wertstoffbehälter falsch befüllt werden, „werden sie von den Mitarbeitern der AWS stehen gelassen und mit einem orangefarbenen Tonnenanhänger versehen, der die betreffenden Nutzer über den Grund der Nicht-Leerung informiert“, sagt Allgaier. Stichprobenartige Sichtkontrolle fänden vor jeder Behälterleerung statt.

Wenn also ein Fremder nicht nur fremden, sondern auch noch falschen Müll in eine Tonne wirft, kann das für den Besitzer unter Umständen wirklich ein großes Problem und Ärgernis werden: Er bleibt auf dem Abfall sitzen. Das stinkt dann zum Himmel – zumal, wenn ein Passant in einen nicht abgeschlossenen Behälter vielleicht noch das Häufchen entsorgt hat, das sein Hund auf dem Gehsteig hinterlassen hatte.

AWS darf übervolle Tonnen stehen lassen

Für den Mülltonnenbesitzer ist es auch ein Ärgernis, wenn jemand seine Tonne so zumüllt, dass diese überquillt. „In unserem Mülleimer war für unseren eigenen Abfall manchmal gar kein Platz mehr – aber daneben stellen konnten wir die Tüten auch nicht, da das sonst Mäuse und Ratten angelockt hätte“, sagt der Friseur aus dem Heusteigviertel.

Zudem darf die AWS übervolle Abfallbehälter auch stehen lassen, denn „diese dürfen nur soweit gefüllt werden, dass der Deckel sich noch problemlos schließen lässt. Ist ein Behälter soweit überfüllt, dass die ordnungsgemäße Leerung nicht mehr gewährleistet ist, kann der Behälter ungeleert stehen bleiben“, sagt Allgaier. Tonnen, die wegen Fehlbefüllung oder Überfüllung nicht geleert wurden, müssen vor der nächsten Leerung aussortiert werden.

Wer gar Problemstoffe oder Sondermüll über die Hausmülltonne entsorgt, der begeht eine Ordnungswidrigkeit. „Die müssten wir dem Amt für Umweltschutz melden“, sagt Allgaier. In der Praxis sei ihr jedoch noch kein entsprechender Fall untergekommen. Wenn jemand seinen Müll widerrechtlich in der Tonne des Nachbarn entsorgt, müsste der Nachbar privatrechtlich klagen.

Oder eben ein Schloss anbringen. Ein Schritt, zu dem sich auch der Friseur entschlossen hat. „Ich finde das eigentlich lächerlich – aber wir wussten uns nicht mehr anders zu helfen. Das ist schon hart“, sagt er. Jetzt darf er nur nie vergessen, das Schloss aufzuschließen, wenn das Müllauto kommt. Sonst bleibt er doch auf seinem Müll sitzen.