Just als eine Besuchergruppe das Göppinger Müllheizkraftwerk inspiziert, verkündet der Landrat Edgar Wolff, dass dort vorerst nicht noch mehr Abfälle verbrannt werden. Foto: Ines Rudel

Das Göppinger Landratsamt versichert zwar, dass die Verunreinigungen nicht gesundheitsgefährdend seien, legt aber die Pläne auf Eis, im Müllheizkraftwerk noch mehr Abfälle zu verbrennen. Der Betreiber EEW zeigt dafür Verständnis.

Göppingen - In der Mülldebatte im Kreis Göppingen hat es eine unerwartete Kehrtwende gegeben: Aktuelle Bodenuntersuchungen, die wegen der geplanten Erhöhung der Verbrennungsmenge im Göppinger Müllheizkraftwerk – von 157 600 auf 180 000 Tonnen – durch die Anlagenbetreiberin Energy from Waste (EEW) beim Tüv Süd freiwillig in Auftrag gegeben worden sind, zeigen an einigen Messpunkten leicht erhöhte Dioxinwerte. „Für die Bevölkerung besteht zwar keine gesundheitliche Gefahr, auch die Lebens- und Futtermittelsicherheit ist weiterhin gewährleistet“, versicherte der Landrat Edgar Wolff am Freitag in einem Pressegespräch. Dennoch wolle man zunächst den Ursachen für die Verunreinigungen auf den Grund gehen, bevor die Debatte über die Erhöhung der im Müllheizkraftwerk zu verbrennenden Abfallmenge weitergeführt werde.

„Wir reden die Belastungen nicht klein, wollen aber auch nichts überdramatisieren, sondern offen und transparent klären, wie diese Werte zustande gekommen sind“, fügte Wolff hinzu. Angesichts der neuen Sachlage sei es nicht zielführend, die öffentliche Diskussion fortzusetzen. „Aus diesem Grund wird es am nächsten Dienstag auch keine Bürgerinformationsveranstaltung im Landratsamt geben“, sagte er. Erst wenn feststehe, dass die erhöhten Dioxinwerte nichts mit den Emissionen der Anlage zu tun hätten, könne der jetzt gestoppte Prozess wieder aufgenommen werden. „Schließlich muss bei allem, was wir machen oder planen, der Gesundheitsschutz der Bevölkerung gewährleistet sein.“

Die Dioxinbelastungen könnten älteren Datums sein

Walter Maier, der beauftragte Gutachter vom Tüv Süd, erläuterte das Messverfahren: An 16 Stellen wurden Bodenproben genommen. An zwölf davon war bereits 1990 gemessen worden, sodass Vergleichszahlen vorlagen. Interessant dabei: gerade in den Waldböden, wo sich Dioxine am stärksten anreichern, sank die Belastung in der oberen Spreuschicht, sie stieg aber in der tieferliegenden mineralischen Erde. Für Maier ist das ein Beleg dafür, „dass in der jüngeren Vergangenheit „keine relevante Luftbelastung vorgelegen hat“. Auch die Grünlandstandorte hätten lediglich an einer Stelle – und zwar zwischen dem Heizkraftwerk und Holzheim – den unteren Grenzwert von fünf Nanogramm Dioxin pro Kilogramm Boden leicht überschritten. Zum Vergleich ergänzte er: Der sogenannte Maßnahmenwert für Kinderspielplätze liege bei 100 Nanogramm.

Auf zwei Äckern – östlich des Gewerbegebiets Voralb und am Rigi – wurden Werte von 10,9 und 15,1 Nanogramm gemessen. „Dies könnte allerdings eher durch das Aufbringen von Klärschlamm, was bis vor einigen Jahren noch erlaubt war, als durch die Luftverschmutzung kommen“, betonte Jochen Weinbrecht, der Leiter des Kreis-Umweltschutzamts. Sein Fazit lautete, auch wenn Maier sein abschließendes Gutachten erst noch ausarbeiten muss: „Es gibt keinen Anlass zur Beunruhigung, aber einen Anlass, den Dingen auf den Grund zu gehen.“

Der Göppinger EEW-Geschäftsführer Morten Holpert sieht das ähnlich: „Jetzt gibt es Fakten, die man klären muss.“ Er finde das gut und sehe sich, auch wenn der Abschlussbericht noch ausstehe, darin bestätigt, dass das Müllheizkraftwerk nicht der Emittent sei. „Unsere eigenen Messwerte liegen ständig unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, aber wir wollen weiterhin dazu beitragen, die Ursachen für die erhöhten Dioxinwerte herauszufinden“, versprach er. Dass der Kreis das laufende Verfahren nun erst einmal aussetze, sei für ihn nachvollziehbar. „Wir werden den Dialog aber fortführen“, versicherte er.

Bürger klagen eher über hohe Müllpreise als über Schadstoffe

Just zum Zeitpunkt der Pressekonferenz sammeln sich vor dem Müllheizkraftwerk zwei Dutzend Menschen, um an einer der regelmäßigen Führungen durch die Anlage teilzunehmen. Obwohl alle die Mülldebatte verfolgt haben, sind die meisten nicht deshalb gekommen. Die einen beziehen Nahwärme aus dem Kraftwerk und wollen sich mal anschauen, „wie das hier so funktioniert“, sagt eine Frau. Andere interessieren sich für die Technik.

Zwei Männer sind allerdings wegen der laufenden Diskussionen da. Der eine möchte wissen, wie der Schadstoffausstoß kontrolliert wird und ob es auch unangemeldete Überprüfungen gibt. Der andere ärgert sich über die hohen Müllgebühren im Kreis. „Das ist hier doch viel zu teuer“, schimpft er, und die anderen Besucher geben ihm Recht. Er stamme aus Schwabing und besitze dort immer noch ein Haus. Obwohl der Müll per Bahn in ein weiter entfernt gelegenes Kraftwerk transportiert werde, seien die Gebühren deutlich niedriger, berichtet er.

Dass der Kreis und die EEW nun von ihren bisherigen Plänen, in Zukunft mehr Müll zu verbrennen, Abstand nehmen, quittieren die meisten erstmal mit einem Achselzucken. Sie befürchten aber, dass die Entsorgung noch teurer werden könnte. Dies wiederum schließt Landrat Wolff, nur einige Kilometer weiter, kategorisch aus.