Am 29. März holt die Feuerwehr in Untertürkheim 20 illegal entsorgte Müllsäcke aus einem Regenrückhaltebecken. Foto: Kamm

Von wegen sauber: In Stuttgart landete 2013 mehr Müll auf Straßen und Plätzen als jemals zuvor. Neben dem achtlosen Wegwerfen von Kleinmüll werfen immer mehr Menschen auch heimlich ihre alten Fernseher, Matratzen oder Waschmaschinen weg – illegal.

Von wegen sauber: In Stuttgart landete 2013 mehr Müll auf Straßen und Plätzen als jemals zuvor. Neben dem achtlosen Wegwerfen von Kleinmüll werfen immer mehr Menschen auch heimlich ihre alten Fernseher, Matratzen oder Waschmaschinen weg – illegal.

Stuttgart - Der Mythos der schwäbischen Kehrwoche hält sich hartnäckig. Zumindest außerhalb der Landesgrenzen. Innerhalb der Stadtgrenzen von Stuttgart ist es mit der sprichwörtlichen Sauberkeit allerdings nicht mehr sonderlich weit her. Dies zeigen nicht nur die Müllhäufen, die vielerorts immer höher sprießen, es lässt sich auch mit nackten Zahlen belegen.

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Der stadteigene Abfallwirtschaftsbetrieb (AWS) unterscheidet zwei Arten öffentlicher Verschmutzung: einerseits der achtlos weggeworfene Verpackungsmüll, auch Littering genannt. Andererseits der bewusst illegal entsorgte „wilde Müll“, der auf Parkplätzen, im Wald, in Böschungen oder sogar in Gewässern weggeschmissen wird. Beide Müllarten werden mehr.

Landeten 2012 noch 384 Tonnen wilden Mülls an unbeobachteten Plätzen, stieg die Zahl 2013 noch mal an: Auf aktuell 390 Tonnen. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren lag dieser Wert noch bei 232 Tonnen. Zum wilden Müll gehören neben dem gewöhnlichen Hausmüll auch Waschmaschinen, Matratzen, Fernseher und dergleichen mehr.

Besonders drastisch fiel kürzlich die Aktion eines Unbekannten aus Untertürkheim auf: Er warf vermutlich über Wochen seinen Hausmüll in ein Regenrückhaltebecken unter dem Roten Berg im Gebiet der Württembergstraße. Während der Stadtputzete in Untertürkheim fielen Alois Herb in dem Bassin blaue Müllsäcke auf. Der 72-Jährige kümmert sich ehrenamtlich um das Becken, in dem mittlerweile auch Enten leben. Da der Unbekannte seinen Mist ins Schilf geworfen hatte, musste die Feuerwehr mit drei Fahrzeugen und 15 Mann anrücken, um in Schutzkleidung die stinkenden Säcke aus dem Wasser zu fischen. Insgesamt 20 davon förderte sie schließlich zutage. Die Polizei untersuchte den Unrat und fand sogar noch einen Kassenzettel, auf dem die Nummer einer EC-Karte zu erkennen ist. Die Ermittlungen gegen den Unbekannten laufen.

Aber auch der achtlos weggeworfene Kleinmüll verschmutzt laut AWS die Stadt zunehmend. AWS-Sprecherin Annette Hasselwander: „Öffentliche Plätze sauber zu halten wird immer schwieriger.“ Die Gründe für die Vermüllung sind laut AWS vielfältig. Zum einen zählen dazu neu gestaltete Parkplätze, die immer mehr als „Orte des Verweilens und der Kommunikation genutzt werden“. Außerdem die steigende Zahl der Fast-Food-Ketten, die ihr Essen zum Mitnehmen anbieten. Das Rauchverbot in Discotheken und Bars führt dazu, dass der Raum davor immer stärker als Partyfläche genutzt wird. Auch beobachten die Müllentsorger eine „zunehmende Verrohung von Teilen der Stadtbesucher“, deren Wegwerfmentalität immer mehr zunimmt.

An einem Wochenende von Freitagnacht bis Sonntagmorgen beseitigt der AWS durchschnittlich 11,2 Tonnen beziehungsweise 56 Kubikmeter Müll . Im bevorstehenden Sommer dürfte dieser Wert noch deutlich höher liegen. Die AWS hat gegen die Müllflut indes nur begrenzte Mittel. Das Budget für Winterdienst und Straßenreinigung hat die Stadt seit 2010 auf 14,7 Millionen Euro gedeckelt.

Besonders ärgerlich: Gerade die schönsten Plätze der Stadt leiden immer stärker unter der Vermüllung. Hans-Christian Wieder kann ein Lied davon singen. Der ehrenamtliche Obmann des Stuttgarter Bismarckturms spürt die Wegwerfmentalität am eigenen Leib: „Wenn ich an einem Montag zum Turm komme, sieht es dort aus wie die Sau. Wir haben natürlich Mülleimer, aber wahrscheinlich sind die Leute nach der dritten Flasche Wodka zu betrunken, um die noch dort reinzuwerfen.“ Stattdessen schmeißen sie die Flaschen auf den Boden, oder – noch schlimmer – zerschmettern sie an der Wand. Und kümmern sich freilich nicht um die Scherben.

Die liegen auch immer häufiger unten im Talkessel. Dann allerdings auf Fuß- und Radwegen, wo sie auch den Ordnungshütern zunehmend unangenehm auffallen. Immer mehr Leute tränken aus Glasflaschen und schmissen diese dann einfach auf die Straße oder den Gehweg, heißt es auch aus dem Ordnungsamt. Besonders betroffen sind hiervon die Theodor-Heuss-Straße, der Kleine Schlossplatz und die Königstraße.

Das warme Wetter lockt nicht nur das Partyvolk ins Freie, sondern vor allem auch die Grillmeister. Sie bevorzugen traditionell Grünanlagen wie den Max-Eyth-See, Egelsseer Heide oder das Tapachtal. Dort bleibt der Unrat meist gleich säckeweise liegen.