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Der Abschuss-Befehl von Audi in Spielberg sorgt in der DTM weiter für böses Blut. Fachleute kritisieren Audi-Motorsportdirektor Wolfgang Ullrich.

Stuttgart - Am Tag nach der Schiebung von Spielberg schlugen die Wogen der Entrüstung noch immer hoch. Ulrich Fritz, der DTM-Verantwortliche von Mercedes, war anhaltend fassungslos über das, was sich am Sonntag auf dem Red-Bull-Ring abgespielt hatte. „Das ist grob unsportlich“, schimpfte der 38-Jährige, „dass jemand absichtlich aus dem Rennen genommen wird, darf nicht passieren.“ Audi-Pilot Timo Scheider hatte in der letzten Runde absichtlich, so belegen es die Telemetriedaten, mit einem Schubser die beiden Mercedes von Robert Wickens und Pascal Wehrlein ins Kiesbett bugsiert. Was das Foul besonders pikant macht: Wehrlein kämpft um den Gesamtsieg in der Deutschen Tourenwagen-Masters-Serie (DTM).

Die Rennkommissare disqualifizierten Scheider noch am Sonntagabend, doch für Fritz ist die Affäre damit noch längst nicht abgehakt. Er fordert, auch Audi zu bestrafen – schließlich sei der Ausspruch „Timo, schieb ihn raus“ von Audi-Motorsportdirektor Wolfgang Ullrich gekommen; ob die Aufforderung nun absichtlich oder versehentlich über den Funk lief, spielt da für Fritz keine Rolle. „Dazu gehören zwei“, sagt der Mercedes-Mann, „der Befehlsgeber und derjenige, der es durchführt. Nur Scheider eine Strafe zu erteilen, wäre zu kurz gesprungen.“ An welches Maß Ulrich Fritz dabei denkt, darüber schweigt er sich aus. Er sagt nur so viel: „Es muss durch das Urteil ein deutliches Zeichen geben, weil ein solches Verhalten nicht toleriert werden kann.“

"Einen großen Krieg begonnen"

Mit weit weniger Diplomatie in der Wortwahl hatte sich Pascal Wehrlein zuvor ausgelassen. „Wenn Audi die Meisterschaft so gewinnen will, dann würde ich sagen, dass sie einen großen Krieg begonnen haben“, wurde Wehrlein im Internet zitiert, „ich hoffe, dass sie große Konsequenzen erhalten werden.“ Mit der Forderung nach spürbaren Folgen stehen die Vertreter des Sterns nicht alleine da. Auch wenn TV-Experte Norbert Haug noch eine Prise Mercedes-Stallgeruch anhaftet, der 62-Jährige war 22 Jahre lang dort Motorsportchef, so ist seine Einschätzung nachvollziehbar.

„Es gibt im Sport viel Wichtigeres als Pokale, Trophäen, Siege und Meisterschaften“, betonte Haug, „nämlich Stil, Respekt, Ehrlichkeit, Sportlichkeit und auch Mut und Kraft, zweiter Sieger zu sein.“ Manuel Reuter, einst DTM-Pilot und heute Sprecher der Fahrergewerkschaft, bezweifelt, dass der Satz von Ullrich im Affekt entstanden ist. „Der Funkspruch hat sich für mich nicht besonders emotional angehört“, meinte Reuter. Die Sache liegt beim Deutscher Motorsport-Bund (DMSB) zur Entscheidung. „Wir werden uns dazu nicht äußern. Das ist ein schwebendes Verfahren“, sagte ein Audi-Sprecher.

Man kann allem sogar einen positiven Aspekt abgewinnen: Die DTM ist wieder im Gespräch, nachdem die Zuschauerzahlen und TV-Quoten unter den Erwartungen bleiben. Die Spielberg-Affäre könnte neue Fans mobilisieren, wenn die DTM nach dem Gastspiel in Moskau (30. August) am 13. September in Oschersleben Halt macht. Doch eigentlich sollte die DTM auf solche Schlagzeilen nicht angewiesen sein.