Der Kölner Karneval verzichtet auf einen umstrittenen Rosenmontags-Wagen, der den Anschlag auf das französische Magazin "Charlie Hebdo" satirisch aufgreifen sollte. Ist die Entscheidung richtig? Oder schränkt man sich damit in seiner Meinungsfreiheit ein?

Stuttgart - Der Kölner Karneval verzichtet auf einen umstrittenen Rosenmontags-Wagen, der den Anschlag auf das französische Magazin "Charlie Hebdo" satirisch aufgreifen sollte. Man stehe zur Botschaft des Motivwagens, allerdings habe es auch Rückmeldungen von besorgten Bürgern gegeben. Ist die Entscheidung richtig? Oder schränkt man sich damit in seiner Meinungsfreiheit ein?

Erbärmlich

Was waren wir nicht alle empört über den brutalen Anschlag auf das Satire-Magazin „Charlie Hebdo“. Mit tränenerstickter Stimme wurde der Meinungsfreiheit die Treue gelobt, alle waren irgendwie „Charlie“. Der Kölner Karneval kündigte gar einen Rosenmontagswagen zum Thema Meinungsfreiheit an. Das sei man der Narrenfreiheit schuldig, hieß es. Eine Woche später ist davon nichts mehr übrig, den großen Worten folgen keine Taten. Dass der Wagen nicht gebaut wird, ist nicht der erste Kniefall vor den islamistischen Eiferern– und es wird auch nicht der letzte bleiben. Dabei sollten mit dem Wagen nicht der Prophet Mohammed oder gar der Islam aufs Korn genommen werden, sondern jene Fanatiker, die dem Westen den Kampf angesagt haben. Mit einer Gesellschaft, die ihre Ideale nur verteidigt, wenn es nicht allzu viele Umstände macht, haben Extremisten leichtes Spiel. So wie nun in Köln, denn die Absage ist nicht „Charlie“, sie ist auch nicht närrisch, sie ist einfach nur erbärmlich

Simon Rilling

Verständlich

Das Festkomitee Kölner Karneval hat eine umstrittene Entscheidung getroffen. Allerdings auch eine, in die man nicht zu viel hineininterpretieren sollte. Karneval, der Rosenmontagszug zumal, ist ein Hochamt des Frohsinns. Der Rückzug des Festwagens soll all jenen Jecken ein Stück Unbefangenheit zurückgeben, die sich Sorgen machen, dass das Motiv Unmut erwecken könnte, Zorn gar oder mehr. Wohlgemerkt, das wären ungerechtfertigte Reaktionen. Das Wagenmotiv stellt sich nicht gegen eine Religion, sondern gegen Terror. Und dennoch mag es solche unbedachten Reaktionen geben. Ganz sicher aber gibt es dieses unklare Gefühl der Beunruhigung. Das verträgt sich nicht gut mit der Ausgelassenheit und Heiterkeit des Karnevals. Und deshalb kann man die Entscheidung des Komitees verstehen. Es gibt viele Orte, den Kampf gegen jeden Fundamentalismus jedweder Couleur zu führen. Die Stadt hat das im Umgang mit dem Kölner Ableger von Pegida großartig getan. Wenigstens am Rosenmontag mag diese ganze Debatte einmal ruhen.

Norbert Wallet