Die Yavuz-Sultan-Selim-Moschee in Mannheim öffnet am Mittwoch ihre Türen für die Öffentlichkeit. Dort treffen sich an jedem Freitag Muslime zum Gebet. Foto: dpa

An diesem Mittwoch laden Muslime zum 15. Mal Nichtmuslime zum Tag der offenen Moschee in ihre Gotteshäuser ein.

Stuttgart - Große und kleine Fenster unterbrechen dicht nebeneinander gegossen die grauen Betonwände. Eine Kuppel thront auf der Mitte des Gebäudes, das wie ein Supermarkt ausschaut – auf den ersten Blick. Es braucht schon den zweiten, um das Gotteshaus in der früheren Ramschbude am Stadtrand von Schwäbisch Gmünd zu erkennen.

Der Weg durch die gläsernen Doppeltüren führt direkt ins Herz der Moschee. Sonnenstrahlen erleuchten den Raum, in dem in einigen Wochen Muslime beten wollen. Die vielen Fenster sollen symbolisieren: Schaut her! Guckt genau hin! Bilal Dincel zeichnet das Rund des Gebetsraums mit seinem Arm nach. Und strahlt wie ein Lebkuchenverkäufer nach erfolgreichem Markttag: „Katholiken, Protestanten, Atheisten, Muslime – hier ist jeder willkommen. Kommen Sie.“

Der Mann von der Türkisch-Islamischen Gemeinde der Stauferstadt führt die Limes-Wanderinnen und -Wanderer unserer Zeitung in einen Saal. Biertische und Bänke auf bloßem Estrich, zwischen Kabelrollen und Zementsäcken. Muslime servieren eiskalte Getränke. Dincel und seine Helfer trinken nichts: Die Regeln für den Fastenmonat Ramadan verbieten es den Gastgebern, selbst eine der Blechdosen zu leeren.

Durch Gebetsräume führen, Fragen zum Islam beantworten, über Trennendes und Verbindendes diskutieren

Beim vierten, fünften Schluck wird das auch einigen Gästen bewusst. „So wirklich wissen wir nichts über den Islam“, sagt eine der Wanderinnen. Genau das soll sich an diesem Mittwoch ändern. Wenn es nach den Muslimen in Deutschland geht. Sie laden ein, Moscheen zu besuchen. Seit 15 Jahren öffnen sie jedes Jahr am 3. Oktober ihre Gotteshäuser zum Tag der offenen Moschee.

Wie auch die Schwäbisch Gmünder wollen an diesem Tag bundesweit in über 1000 Moscheen Muslime Nichtmuslimen von ihrem Glauben erzählen. Sie wollen durch ihre Gebetsräume führen, Fragen zum Islam beantworten, über Trennendes und Verbindendes diskutieren. Oft bieten die Muslime dazu auch Tee, Kaffee und Gebackenes ihren Gästen an.

„Islamische Kunst und Kultur“ hat der Koordinationsrat in diesem Jahr als Motto für den Tag gewählt. Dass die Moscheen seit 1997 besonders am 3. Oktober geöffnet werden, haben die muslimischen Dachverbände bewusst entschieden. „Wir haben bewusst den Tag der Deutschen Einheit gewählt, weil er symbolisiert, dass zwei Länder zusammengekommen sind. Wir möchten, dass auch die Menschen religionsübergreifend besser zusammenfinden“, erklärt Ayse Aydin, Sprecherin des türkischen Religionsverbandes Ditip.

„Wer die Muslime in die Pflicht nehmen will, muss sie in den Dialog einbinden“

Eine Aktion, bei der jedes Jahr etwa 100.000 Besucher die islamischen Gotteshäuser besuchen. Angesichts der Diskussionen um das antiislamische Schmähvideo aus den USA, Drohungen islamistischer Terroristen gegen deutsche Politiker und der andauernden Salafismus-Diskussion ist der Tag für die baden-württembergische Integrationsministerin besonders wichtig: Die medialen und politischen Debatten über den Islam und die Muslime verliefen leider nicht immer glücklich, sagt Bilkay Öney (SPD). Manchmal würden die Gräben eher vertieft als zugeschüttet, wie die Beschneidungsdebatte und die „Vermisst“-Kampagne des Bundesinnenministeriums zeigten: „Wer die Muslime in die Pflicht nehmen will, muss sie in den Dialog einbinden.“

Die Genossin wird am Mittwochmorgen um 11 Uhr die Moschee der Islamischen Gemeinde zu Schorndorf besuchen.

Wie schwierig es ist, den Islam kennenzulernen, zeigt ein anderes Beispiel. Ein Trittbrettfahrer der Aktion Tag der offenen Moschee ist das Islamische Zentrum Stuttgart. Das öffnet in der Waiblinger Straße auch am Mittwoch seine Türen für Nichtmuslime.

„Der Dschihad ist eine notwendige Pflicht, die Gott jedem Muslim auferlegt hat, der man nicht entkommen kann und aus der es keinen Ausweg gibt“

In der Moschee tritt regelmäßig Ahmed Khalifa zu Vorträgen auf. Zeitweise war Khalifa Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Deutschlands (IGD). Dem Zentrum der Organisation in München steht er vor. Verfassungsschützer haben in der IGD den deutschen Ableger der radikalislamischen Muslimbruderschaft ausgemacht. Sie gilt Terrorexperten weltweit als einer der Drahtzieher für islamistische  Anschläge.

Der Gründer der Muslimbrüder, der Ägypter Hasan al-Banna, rief in den 1930er Jahren in seinen Sendschreiben Muslime zum Heiligen Krieg, dem Dschihad, auf: „Der Dschihad ist eine notwendige Pflicht, die Gott jedem Muslim auferlegt hat, der man nicht entkommen kann und aus der es keinen Ausweg gibt. Gott hat dem Dschihad eine große Bedeutung beigemessen und machte den Lohn für die Mudschaheddin und die Märtyrer reichlich.“ Appelle, die den Muslimbrüdern heilig sind.

Vor diesem Hintergrund der IGD warnt Familienministerin Kristina Schröder (CDU), dass „die Verbindungen der Organisation in den Bereich von islamisch-extremistischen Gruppierungen sowie zu einer islamischen Hilfsorganisation, die im Verdacht steht, heimlich den islamistischen Terrorismus zu unterstützen“, reichen.

„Sie müssen diese Tür einfach nur aufmachen“

Allerdings: Die meisten Verbände der Muslime distanzieren sich von radikalen Interpretationen des Islam und vor allem von Terrorismus. „Mit der unvorstellbaren Gewalt und dem Tod, mit dem unendlichen Leid und den mörderischen Anschlägen, die Terroristen über uns alle gebracht haben, wollen wir nichts zu tun haben“, sagt Bilal Dincel in Schwäbisch Gmünd.

Er ist längst in Deutschland angekommen. Als SPD-Ratsherr, als von allen Parteien und Volksgruppen der Stadt geschätzter Politiker. Als Arbeitgeber. Auf der Moscheebaustelle schaut er nach oben in die helle Kuppel. Er senkt seine Stimme ein wenig. „Wenn wir alle begreifen, dass der Islam nur eine andere Religion neben den vielen anderen ist, die hier in Deutschland das Leben miteinander und nebeneinander bestimmen. Wenn wir begreifen, dass der Dialog der Religionen unser Land schon immer interessant und spannend gemacht hat, dass er Deutschland weiterentwickelt hat, dann wären viele Probleme gelöst.“

Lächelnd schaut er zur gläsernen Eingangstür des Gotteshauses. „Sie müssen diese Tür einfach nur aufmachen. Dann werden Sie erfahren, dass hier ein Teil von Ihnen allen betet, streitet, diskutiert und feiert. Wie in fast jeder Familie. Herzlich willkommen.“

Eine Liste der am Tag der offenen Moschee beteiligten Gotteshäuser finden Sie unter http://www.tagderoffenenmoschee.de/moscheegemeinden_2012.php