Alles hat seinen Preis - auch das Frühstück. Foto: Michael Luz

Wenn man den Tag in einem Hotel oder in einer Pension beginnt, zeigt sich gleich, wie wichtig dort der Gast genommen wird - manchmal fällt das Frühstück lieblos aus, manchmal aber auch richtig luxuriös. Doch alles hat seinen Preis.

Ein Gasthof in der Ortenau. Etwas Fachwerk. Eine energische Wirtin. Den Weinberg hinterm Haus. Der Morgen graut. Zeit fürs Frühstück. Der wichtigsten Mahlzeit des Tages, wie Brad Pitt meint. Angelina Jolie, seine Gattin, hat es verraten. Frau Wirtin ist um die frühe Stunde noch nicht auf. Das hat sie gleich beim Einchecken („Übernachtung für 46 Euro, Frühstück mit drin!“) verkündet. Alles Nötige stehe am nächsten Morgen ab 6 Uhr im Frühstücksraum. Der Zimmerschlüssel passe, um da selbst mutterseelenallein reinzukommen. Herzlich willkommen. Der weißgraue Kühlschrank ist kein ganz neues Modell mehr, das Lämpchen drinnen hüllt die Einlagen milde in schummriges Licht. Zu erkennen sind: ein spülmaschinenfester Porzellanteller, darauf eine Scheibe Schnittkäse, zwei Scheiben Aufschnitt, eine trockene Schlangengurkenscheibe. Wohl mehr zur Dekoration. 25 Gramm abgepackte Butter.

Über alles eine festgezogene Frischhaltefolie. Darauf ein Zettelchen mit der Zimmernummer. Das ist deins, heißt die Botschaft. Irgendein früher Geist hat Brötchen aufgebacken und hartgekochte Eier ins Warmhaltekörbchen gelegt. Immerhin. Die Literflasche O-Saft vom Discounter und Kaffee in der Thermoskanne sind mit den anderen Gästen zu teilen. Wobei - bei Lichte betrachtet - das Frühstück so schlecht nicht war. Weil es kein Büfett gab, lagen die Wurstscheiben nicht quer durcheinander, war der Brotkorb nicht wie von Feldmäusen durchwühlt, steckte die Käsezange nicht zwischen den Lachsscheiben, schwammen keine Dosenobststückchen hilflos in der Fruchtsaftbowle.

Was ist das absolute Muss fürs Frühstücksbuffet?

Und Zerealien blieb ein krümelfreies Fremdwort. Und das alles obendrein zu einem sehr fairen Preis-Leistungs-Gefüge. Und überhaupt! Braucht man am frühen Morgen, an einem späten erst recht, viel mehr außer zwei Tassen Kaffee, zwei Brötchen, etwas Aufschnitt und Marmelade sowie - schon nicht mehr selbstverständlich - gekochte, gerührte oder gespiegelte Eier? Macht es wirklich Freude, sich unausgeschlafen auf einer endlosen Etage an in nationale Vorlieben unterteilten Selbstbedienungstheken mit kinderfaustgroßen Erdbeeren in weißem Schokoladenmantel zu laben? Wie im ausschweifenden Las Vegas - gleich, ob im luxuriösen Bellagio, Aria oder Caesar’s Palace?

Muss man sich in Venedig auf der Terrasse des Palazzo Gritti am Canal Grande die Hörnchen von behandschuhten Oberkellnern vorlegen oder sich in St. Moritz den geschäumten Milchkaffee im Badrutt’s Palace schon morgens mit Harfenklängen versilbern lassen? Braucht man im Berliner Kempinski wirklich acht frisch gepresste Säfte zur Auswahl, um nebst isländischem Räucherlachs den Champagner zu vergessen? Und die - allerdings wunderbaren - Eggs Benedict (pochierte Eier auf Röstbrot mit einer Scheibe angebratenem gekochten Schinken und Sauce hollandaise) im piekfeinen Wiener Bristol? Himbeereis zum Frühstück? Oder anders gefragt. Muss man dafür tatsächlich 40 Euro und mehr hinblättern? Wie im Berliner Adlon oder im Münchner Vierjahreszeiten? Pro Person? So viel wie für eine ganze traumlose Nacht in der traumhaften Ortenau? Muss man nicht, sagt Jürgen Reidt, Küchendirektor des Restaurants Silberberg im edlen Hotel Traube Tonbach in Baiersbronn. Aber man sollte. Ab und zu. Er selbst ist morgens mit einer Tasse Kaffee und einem Croissant glücklich.

Das absolute Muss an einem Frühstücksbüfett? „Ein gutes Brot“, sagt er. Und regionale Produkte. Und noch eins: Ein Spitzenbüfett muss aufgeräumt sein. Etwa beim Rührei. „So alle acht bis neun Minuten sollte man das austauschen“, sagte Reith, seit 26 Jahren in der Branche. Was sich am Geschmack der Gäste in dieser Zeit geändert hat? So gut wie nichts, sagt der Küchenchef. Er und sein Team (die ersten Köche kommen um 5.30 Uhr) bieten morgens 15 verschiedene Brötchensorten an, Aal. Lachs und Forelle, Garnelen und Makrelen, verschiedene Käse, Feigen, Birnen und Clementinensenf, Serrano-Schinken und Haussalami, verschiedene Joghurts, Quark und Birchermüesli, Gemüserohkost und Honigwabe. Frisch gepresste Fruchtsäfte und prickelnd Alkoholisches.

„Zwischen halb zehn und halb elf ist Stoßzeit"

Kaffee, Tee und Kakao in nahezu allen Variationen. Fruchtig und vollwertig, deftig und luxuriös, auf jeden Fall außergewöhnlich: „Alles in allem rund 280 Angebote“, sagt Reith. Auch für Allergiker. Um alles frisch zu präsentieren, kontrolliert der Küchenchef die Hotel-Belegungszahl, kalkuliert den Bedarf. „Zwischen halb zehn und halb elf ist Stoßzeit“, sagt er. Erfahrungswerte wie dieser: Touristen nehmen sich fürs Frühstück eine Stunde Zeit, Geschäftsleute gute 20 Minuten. Und was, wenn einer wirklich nur eine Tasse Kaffee und ein Brötchen schafft? Bei einem Frühstückspreis von 34 Euro? „Dann regeln wir das nach Rücksprache einvernehmlich“, sagt Reith und lächelt. Natürlich kennt er auch die anderen Frühstücksgeschichten.

Etwa von dem Mann, der jedes Mal eine bestimmte Wurstscheibe markierte, um festzustellen, dass diese auch noch nach drei Tagen auf dem Büfettteller landete. Oder von den gabelbewehrten Schlachten um Lachsröllchen und Schinkenscheiben. Oder von Gästen, die sich am Büfetttisch ihre Taschen vollstopften und auf die Frage „Ist das für den Hund?“ ehrlich antworteten: „Nein, für den Opa.“ Aber das ist wohl eher ein dem Urlaubsrausch geschuldetes Pauschaltouristenproblem. Frühstücke wie ein König; iss mittags wie ein Edelmann und zu Abend wie ein Bettler? An dem Spruch jedenfalls ist was dran - zumindest, wenn man auf die gesalzenen Preise schaut.