Vor dem Stuttgarter Landgericht müssen sich zwei Männer verantworten, die in Backnang eine Restaurantchefin ermordet haben sollen. Foto: Weingand/STZN

Nicht einmal das FBI hat die Qualität der Videoaufnahmen verbessern können – und doch lieferten die Kameras aus der Nachbarschaft den Ermittlern wertvolle Erkenntnisse zum Mord in Backnang.

Backnang/Stuttgart - Auf Knopfdruck werden aus verschwommenen Videos astreine, scharfe Fahndungsbilder – in Fernsehserien wie CSI Miami ist das kein Problem. Wie die Realität aussieht, hat der jüngste Verhandlungstag im Mordprozess Asien-Perle gezeigt. Zwar existieren aus der Nacht, in der die Chefin eines Backnanger Chinarestaurants ermordet worden ist, Videos von Kameras benachbarter Betriebe. Doch viele Details sind darauf nicht zu erkennen – erst recht nicht die Gesichter der beiden Angeklagten, die einen Raub zwar zugegeben, den Mord aber leugnen. Stattdessen: verpixelte Gestalten, Schattenrisse von Menschen, die ein- und ausgehen.

Die Sonderkomission, die nach dem gewaltsamen Tod der Chefin der Backnanger Asien-Perle gegründet worden war, hatte das Bundeskriminalamt und sogar das US-amerikanische FBI darum gebeten, die Qualität der Aufnahmen zu verbessern – doch auch deren Experten war dies nicht möglich. Dennoch arbeitete die Abteilung Cybercrime und digitale Spuren der Waiblinger Kripo das Material mit größter Akribie durch, das die Kameras von benachbarten Firmen der Asien-Perle geliefert hatten – und schlussendlich half dies den Ermittlern weiter.

Die Soko erstellt ein Bewegungsprofil der Zeugen

Eine der Kameras filmte den Hinterhof und das Untergeschoss der Asien-Perle mit. In den dort gelegenen Nebenräumen des Lokals übernachteten – auch in der Tatnacht – immer wieder Mitarbeiter. Da der Flur zu den Nebenräumen des Restaurants bis weit nach Mitternacht beleuchtet blieb, war es den Ermittlern möglich, Zeugen zum Beispiel anhand von Größe oder Kleidung zu identifizieren. Sie konnten für jeden anwesenden Mitarbeiter des Restaurants ein Bewegungsprofil erstellen und nachvollziehen, wer sich wann in welchem Zimmer im Untergeschoss aufgehalten hat. „Es hat sich gezeigt, dass jeder von ihnen dort gewesen ist, wo er ausgesagt hatte, gewesen zu sein“, sagte der Kriminaloberkommissar, der die Auswertung der Videos betreute, jetzt vor Gericht.

Ein Video entlastet einen Ex-Hauptverdächtigen

Besonders wichtig war dies im Falle eines Verwandten des Opfers Aie W., der vorübergehend als Hauptverdächtiger im Mordfall galt und im Prozess als Zeuge auftritt. Die Aufnahmen bestätigen seine Version: Auf den verpixelten Videos ist zu erkennen, wie er abends mit dem späteren Mordopfer zum Einkaufen fährt, zurückkommt – und, kurz bevor Aie W. im Obergeschoss zu Tode geprügelt wird, in einem der Nebenräume im Untergeschoss verschwindet. Als Täter kommt er demnach kaum noch in Betracht.

Die Videoaufnahmen zeigen weitere erschütternde Details: Während über ihnen die Restaurantchefin stirbt, gehen unten immer wieder Mitarbeiter unter die Dusche. Kurz nach Mitternacht schauen einige Personen kurz aus ihren Zimmern; womöglich waren sie auf Geräusche von oben aufmerksam geworden. Doch nach oben gehen und nachsehen – das tut niemand. Erst um kurz vor 10 Uhr am nächsten Tag bricht – das ist auch auf den Aufnahmen zu erkennen – in der Asien-Perle Hektik aus. Aie W. ist da schon seit knapp zehn Stunden tot.