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Ein "Stern"-Artikel erregte im Heilbronner Polizistinnenmord Aufsehen - doch er könnte falsch sein.

Hamburg/Erfurt - Die Geschichte erregte in der Diskussion über die Zwickauer Terrorzelle bundesweites Aufsehen - doch möglicherweise stimmt sie gar nicht: Ein vom Magazin „Stern“ veröffentlichter angeblicher US-Geheimdienstbericht, demzufolge ein Team aus deutschen und amerikanischen Agenten Zeuge des Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter gewesen sein könnte, hat sich nun offenbar als Fälschung entpuppt. Das berichtete das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ am Sonntag. Die Beamtin war im April 2007 in Heilbronn mutmaßlich von Terroristen des rechtsextremen „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) erschossen worden.

Der „Stern“ hatte im Dezember 2011 Passagen eines angeblichen Observationsprotokolls des US-Militärgeheimdiensts „Defense Intelligence Agency“ (DIA) publiziert. Der „Spiegel“ berichtete nun, aus den Ermittlungsakten, die dem Untersuchungsausschuss im Bundestag vorlägen, werde deutlich, „dass die US-Regierung von einer Fälschung ausgeht“. Weder bei der CIA noch beim DIA habe man einen derartigen Observationsbericht finden können, habe ein Mitarbeiter der US-Botschaft dem Bundesinnenministerium mitgeteilt.

„Information von einem Mann aus Hessen gestreut“

Dem vermeintlichen Geheimpapier zufolge soll der US-Nachrichtendienst gemeinsam mit Kollegen „des bayerischen oder des baden-württembergischen Verfassungsschutzes“ in Heilbronn seinerzeit einen Islamisten beschattet haben. Die Agenten seien dabei in eine „Schießerei“ zwischen Polizisten und Rechtsextremisten geraten.

Nun habe der US-Botschaftsmitarbeiter mitgeteilt, „mehrere Anomalien“ in dem vom „Stern“ abgedruckten Bericht legten den Schluss nahe, dass das vermeintliche Geheimdienstprotokoll „wahrscheinlich eine Fälschung“ sei. Davon geht dem „Spiegel“ zufolge auch das Bundesinnenministerium aus.

Die Ermittler vermuten demnach, dass die Information von einem Mann aus Hessen gestreut wurde. Dieser habe sich gut zwei Wochen vor dem „Stern“-Bericht auch beim Bundeskriminalamt (BKA) und dem Bundesinnenministerium gemeldet und als Ex-Mitarbeiter eines US-Geheimdienstes vorgestellt. Im BKA sei der Hinweis des Informanten „als nicht relevant bewertet“ worden.

Inzwischen sei der Mann von der Polizei befragt worden. Nach Überprüfung seiner Angaben und der Vernehmung der von ihm genannten angeblichen US-Observanten hielten die Ermittler die Geschichte für unglaubwürdig.

„Stern“: Keine Auskunft zu Redaktionsinterna

Ob der „Stern“ das vorgebliche DIA-Papier weiterhin für echt hält, wollte die Redaktion auf „Spiegel“-Anfrage nicht sagen. Zu „redaktionellen Interna“ gebe man „grundsätzlich keine Auskunft“.

Schon kurz nach Veröffentlichung des „Stern“-Berichts am 1. Dezember 2011 waren Zweifel an der Geschichte aufgekommen. Die Landesverfassungsschutzämter Bayern und Baden-Württemberg sollen damals dem Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, versichert haben, dass nach ihrer Kenntnis keine ihrer Mitarbeiter beim Heilbronner Polizistenmord am Tatort gewesen seien.

Die jetzige Entwicklung weckt Erinnerungen an das Jahr 1983, als der „Stern“ mit der Veröffentlichung der letztlich gefälschten Hitler-Tagebücher für einen beispiellosen Medienskandal sorgte.

Wusste das LKA Thüringen von Schießübungen Rechtsextremer?

Unterdessen berichtete der MDR Thüringen, der Thüringer Verfassungsschutz und das Landeskriminalamt (LKA) hätten Kenntnis von Schießübungen der rechtsextremen Jenaer Kameradschaft gehabt. Das gehe aus LKA-Unterlagen hervor, die dem MDR in Kopie vorlägen.

Demnach hätten sich seit dem Frühsommer 1996 Neonazis aus Jena und Saalfeld regelmäßig auf einem Gelände bei Kahla getroffen. Dort sei auch der spätere mutmaßliche NSU-Terrorist Uwe Böhnhardt von Zeugen „mit großer Sicherheit“ identifiziert worden. Ein LKA-Sprecher sagte am Sonntag auf dapd-Anfrage, er könne „momentan“ zu dem MDR-Bericht keine Stellung nehmen.