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Polizei hofft auf Hinweise zu Verbrechen - Opfer an Treffpunkten Homosexueller erschossen.

Stuttgart/Böblingen - Heiko S. und Hans Friedrich L. sind mit derselben Waffe getötet worden. Der eine bei Magstadt (Kreis Böblingen), der andere im hessischen Mörfelden. Von ihrem Mörder gibt es noch keine Spur. Ermittler der Böblinger Soko Hölzertal verteilen deshalb an diesem Sonntag beim Christopher Street Day in Stuttgart Fahndungsplakate. Und sie warnen vor dem Unbekannten, der es möglicherweise gezielt auf Homosexuelle abgesehen hat.

Der 30-jährige Heiko S. ist am späten Abend des 8. Mai 2010 auf einem Parkplatz im Hölzertal zwischen Magstadt und Stuttgart-Büsnau umgebracht worden. Ein Autofahrer fand ihn gegen 23.30 Uhr. Das Mordopfer saß mit heruntergelassener Hose hinter dem Lenkrad eines grünen Peugeot 106. In seinem Kopf steckte ein Projektil mittleren Kalibers.

Hat Heiko S. den Täter gekannt?

Der tödliche Schuss war nach 21.30 Uhr aus kurzer Entfernung abgegeben worden: Von oben durch die geöffnete Fahrertür oder das heruntergelassene Fenster. Heiko S., das legen die Tatortspuren nahe, war völlig arglos gewesen. Der frühere Soldat, der in seinen acht Jahren bei der Bundeswehr auch in Afghanistan eingesetzt war, scheint den Täter gekannt zu haben.

Der Parkplatz im Hölzertal bei Magstadt, dem Wohnort des Opfers, ist als Treffpunkt von Homosexuellen und Strichern bekannt. So wie der Parkplatz an der A5 bei Mörfelden-Walldorf in Hessen. Hier, in einem angrenzenden Waldstück, ist am 2. Juli die nackte Leiche des 70 Jahre alten Hans Friedrich L. aus dem Main-Taunus-Kreis gefunden worden. Die Todesursache: ein Kopfschuss. Der Rentner war mit seinem grauen E-Klasse-Mercedes zum Rendezvous mit dem Mörder gefahren. Er wurde um die Mittagszeit umgebracht.

Infostand steht am Schillerplatz

Die Böblinger Sonderkommission geht mit dem Doppelmord jetzt gezielt in die Szene. Zwei Ermittler stehen am morgigen Sonntag von 11 bis voraussichtlich 23 Uhr an einem Infostand auf dem Schillerplatz in Stuttgart. Sie haben Fahndungsplakate mit den Fotos der Opfer dabei und hoffen auf Hinweise, so der Böblinger Polizeisprecher Eckhard Salo. Sie wollen die Teilnehmer des Schwulen-und-Lesben-Festivals aber auch vor dem Killer warnen, bei dem es sich um einen Homosexuellen-Hasser handeln kann. Möglicherweise tritt er als Stricher auf.

Höhepunkt des Christopher Street Days ist am heutigen Samstag die Parade. Etwa 2500 Leute ziehen vom Erwin-Schoettle-Platz zum Schlossplatz. Mit der Loveparade in Duisburg verbindet die Parade nur der Name. Zum Gedenken der dort ums Leben gekommenen 21 Menschen hängt die Stadt Stuttgart heute ihre Fahnen auf halbmast.

Sindelfinger saß unschuldig in U-Haft

In den beiden Mordfällen hat sich die Polizei bisher nicht mit Ruhm bekleckert. In Südhessen und in Böblingen wurden Männer festgenommen, die es nicht waren. Sie kamen Mitte Juli frei - als feststand, dass Heiko. S und Hans Friedrich L. mit derselben Waffe getötet wurden. Ein 33-Jähriger aus Sindelfingen war bis dahin als Verdächtiger im Magstadter Mord 53 Tage unschuldig in Untersuchungshaft gesessen.

Dass die Polizei den Falschen erwischt, ist so selten nicht. Allein bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart laufen 2010 schon 28 Entschädigungsverfahren von Menschen, die irrtümlich in U-Haft kamen. Ihnen stehen pro Tag hinter Gitter 25 Euro zu. Ist der Vermögensschaden durch Verdienstausfall höher, muss dieser nachgewiesen werden. Für Entschädigungen über 6000 Euro ist die Generalstaatsanwaltschaft zuständig. Hier sind es jährlich sechs bis acht Fälle.