Nach dem Sexualmord an einer Studentin richtet sich der Verdacht gegen einen jungen Flüchtling. Foto: dpa

Nach dem Mord an einer Studentin in Freiburg beginnt der Prozess gegen einen jungen Flüchtling. Er kam ohne Papiere nach Deutschland und gab an, minderjährig zu sein. Doch Gutachter sehen das anders.

Freiburg - Der schreckliche Fall in Freiburg machte Schlagzeilen und beunruhigte eine ganze Stadt. Noch vor dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember vergangenen Jahres löste er bundesweite Debatten über die deutsche Flüchtlingspolitik und ein mögliches Versagen der Behörden aus. Nach dem Sexualmord an einer Studentin richtet sich der Verdacht gegen einen jungen Flüchtling. Hussein K. sitzt in Haft und schweigt. Nun muss er sich vor Gericht verantworten. Der Prozess gegen ihn beginnt am kommenden Dienstag (5. September) in Freiburg. Es ist ein Verfahren mit vielen Fragen.

Verhandelt wird öffentlich vor der Jugendkammer des Gerichts. Denn nicht nur die Herkunft des Mannes, der nach eigenen Angaben aus Afghanistan stammt, ist unklar. Strittig ist auch, ob er tatsächlich, wie von ihm behauptet, zur Tatzeit erst 17 und damit minderjährig war. Seine Angaben stehen im Widerspruch zu zwei Altersgutachten. Papiere hat Hussein K. nicht. Die zentrale Frage wird sein, ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht gilt. Das ist bei einem Urteil entscheidend, vor allem für das Strafmaß. Die Vorsitzende Richterin Kathrin Schenk steht vor einem Prozess, der ungewöhnlich ist und auf enormes öffentliches Interesse stößt.

Dem Angeklagten wird vorgeworfen, Mitte Oktober vergangenen Jahres in Freiburg eine 19 Jahre alte Medizinstudentin, die mit dem Fahrrad nachts alleine auf dem Weg von einer Studenten-Party nach Hause war, vergewaltigt und ermordet zu haben. Die junge Frau war erst wenige Wochen zuvor in die Stadt gezogen. Am Uferweg des Flusses Dreisam, neben dem Stadion des Fußball-Erstligisten SC Freiburg, wird sie Opfer des grausamen Verbrechens.

Hussein K. wurde Anfang Dezember, rund sieben Wochen nach der Tat, festgenommen. DNA-Spuren von ihm hatte die Polizei am Tatort gefunden, über Videoaufnahmen in einer Straßenbahn kamen die Ermittler ihm auf die Schliche. Seine ungewöhnliche Frisur hatte ihn verraten, berichtete die Polizei später. Am Tatort hatten die Beamten in einem Gebüsch ein markantes, blondiertes Haar gefunden. Als eine junge Polizistin später Videoaufnahmen der Straßenbahn auswertet, sieht sie den Mann und erinnert sich an das Haar, das am Tatort gefunden wurde.

Erst nach der Festnahme wird klar, dass Hussein K. bereits 2013 eine Gewalttat an einer jungen Frau auf der griechischen Insel Korfu begangen hatte. Er wurde in Griechenland zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt und im Oktober 2015 unter Auflagen vorzeitig entlassen. Er tauchte unter und kam als Flüchtling nach Deutschland. Die deutschen Behörden wussten nichts von der kriminellen Vorgeschichte, weil Griechenland nur im eigenen Land fahndete und andere Staaten nicht informierte. So blieb Hussein K. in Deutschland unbehelligt - bis nach dem Mord an der Studentin. Irritationen zwischen der deutschen und der griechischen Regierung waren später die Folge.

Das Urteil könnte im Dezember gesprochen werden

Hussein K. war nach Angaben deutscher Behörden im November 2015, in den Wirren der Flüchtlingskrise, ohne Papiere nach Deutschland gekommen. Er stand als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in der Obhut des Jugendamtes und lebte in Freiburg bei einer Pflegefamilie. Folgt man seinen Angaben, stammt er aus Afghanistan und war zur Tatzeit in Freiburg 17 Jahre alt. Doch daran gibt es Zweifel. In Griechenland, sagen die Behörden, hatte er andere Angaben gemacht.

Nachweise zu Alter und Herkunft hatte Hussein K. bei seiner Einreise nach Deutschland nicht vorgelegt, sagen die Behörden. Auch amtliche Dokumente wurden bei ihm nicht gefunden. Zwei Altersgutachten, die von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben wurden, kamen im Frühjahr zu dem Schluss, dass Hussein K. zur Tatzeit in Freiburg mindestens 22 Jahre alt war, wahrscheinlich sogar älter.

„Es ist zu erwarten, dass das Alter des Angeklagten zur Tatzeit Gegenstand der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sein wird“, sagt der Leiter der Freiburger Staatsanwaltschaft, Dieter Inhofer. Die Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass Hussein K. zur Tatzeit im juristischen Sinn erwachsen war. Weil dies aber nicht zweifelsfrei bewiesen werde könne, sei zunächst die Jugendkammer zuständig. Diese könne aber entscheidend, ob für Hussein K. im Falle einer Verurteilung Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht gilt.

Angeklagt ist Hussein K. wegen Mordes und besonders schwerer Vergewaltigung, sagt der Gerichtssprecher. Augenzeugen der Tat gibt es nicht. Todesursache war den Angaben zufolge Ertrinken. Die Polizei geht davon aus, dass Hussein K. sein Opfer bewusstlos ins Wasser legte. Er habe so den Tod der Studentin verursacht. Den Angaben zufolge war die 19-Jährige ein Zufallsopfer; Täter und Opfer kannten sich nicht.

Geplant sind zunächst 16 Verhandlungstage. Das Urteil könnte im Dezember gesprochen werden. Wegen des hohen öffentlichen Interesses sind verschärfte Sicherheitsmaßnahmen geplant, sagte der Gerichtssprecher.

Die Familie der Getöteten agiert in dem Prozess als Nebenkläger. Sie lässt sich von einem Anwalt vertreten, persönlich erscheinen wird sie den Angaben zufolge nicht. Ihr Anwalt sowie der Anwalt des Angeklagten äußern sich auf Nachfrage vor dem Prozess nicht. Auch Hussein K. hat Ermittlern und Gutachtern gegenüber geschwiegen. Wegen möglicher Suizidgefahr sitzt er im Gefängniskrankenhaus Hohenasperg bei Ludwigsburg.

Drei Wochen nach der Tat in Freiburg war im nicht weit entfernten Endingen eine 27 Jahre alte Joggerin vergewaltigt und ermordet worden. Eine Verbindung gibt es nicht: Im Endinger Fall sitzt seit Juni ein 40 Jahre alter Lastwagenfahrer aus Rumänien in Haft.