Versace-Modenschau bei den letzten Frühjahrschauen in Mailand 2016. Foto: ANSA

Vor allem in der Modebranche hat das „made in Italy“ einen glänzenden Ruf – doch den gilt es zu wahren. Und nicht nur vor Fälschungen aus dem Ausland, sondern vor allem vor Betrug im Inland, meint unsere Korrespondentin Almut Siefert.

In Mailand feiert sich die italienische Modebranche in dieser Woche wieder mal selbst. Für ihre Tradition, ihre Qualität, ihren Ruf. Und das durchaus zu Recht: Das Label „made in Italy“, eingenäht in feine Stoffe, genießt hohes Ansehen. Das sollte nicht verspielt werden.

Etwa durch Meldungen aus der toskanischen Modestadt Prato: Dort liest man viel über nächtliche Razzien in Textilfabriken, Schwarzarbeit und illegale Müllentsorgung. Pronto Moda, also günstige, schnell produzierte Mode, lautet das Zauberwort. Allerdings handelt es sich hier um faulen Zauber, denn der Begriff bedeutet in der Praxis oft moderne Sklavenarbeit mitten in Europa, hauptsächlich durch Chinesen. Die Stadt mit ihren rund 192 000 Einwohnern erlebt seit einigen Jahren einen Boom an Zuzügen aus dem Reich der Mitte. 27 000 Chinesen sind gemeldet. Weitere 13 000 leben dort Schätzungen zufolge illegal. Das ist die Schattenseite von „made in Italy“.

14 Stunden Arbeit pro Tag für 200 Euro im Monat

Mehr als zynisch klingt da die Erklärung eines italienischen Unternehmers: „Diese Arbeiter atmen ja auch italienische Luft, nehmen durch ihr Leben hier die italienische Kultur in sich auf.“ Das mag für das eine oder andere chinesische Unternehmen mit Sitz in Italien gelten. Doch bei der Mehrzahl der Textilarbeiter stellt sich die Frage: Wie viel Kultur kann jemand in sich aufnehmen, der für 14 Stunden Arbeit am Tag gerade einmal 200 bis 300 Euro im Monat verdient?

Es gibt allerdings auch viele Beispiele, die „made in Italy“ mit Leben füllen. Brunello Cucinelli etwa gilt mehr als Philosoph und Menschenfreund, als Leiter eines Luxuskonzerns. Er ist nicht nur für seine extrem teuren Kaschmirpullover bekannt, sondern auch für gute Arbeitsbedingungen und den Einsatz für seine Mitmenschen. Nach dem Erdbeben in Norcia hat Cucinelli sofort Hilfe für den Wiederaufbau der Stadt angeboten. Auch der Schuhhersteller Tods kümmert sich nicht nur um bequemes Vorankommen seiner gut betuchten Kunden, sondern auch um den Erhalt des kulturellen Erbes: 25 Millionen Euro hat das Unternehmen für die Restaurierung der Fassade des Kolosseums in Rom gegeben. Klar, auch eine Form der Werbung. Aber eine, die vielen nützt.

Rückbesinnung auf die eigenen Werte und Stärken in Zeiten der Krise

Gerade die, die den Ruf des „made in Italy“ mit aufgebaut haben und heute damit ihre Luxuswaren in die ganze Welt verkaufen, sollten sich dafür einsetzen, dass der Wert des Etiketts auch erhalten bleibt, denn „made in Italy“ ist eine Chance für das Land. Italien hat unter den Konsequenzen der Finanzkrise von 2008 stark gelitten – und leidet noch immer. Die Wirtschaft erholt sich nur langsam. Nach drei aufeinanderfolgenden Jahren des Rückgangs konnte Italien erst im Jahr 2015 wieder ein Wachstum von 0,8 Prozent verzeichnen. Für 2016 werden ähnliche Zahlen erwartet. Ein noch sehr zartes Pflänzchen, das es zu pflegen gilt.

Die Rückbesinnung auf die eigenen Werte und Stärken ist vor allem in dieser Zeit besonders wichtig. Das hat auch die Regierung erkannt. Um die weitere Auslagerung in Billiglohnländer zu bremsen, hat sie 2014 ein Förderprogramm in Form von Steuererleichterung für die Förderung des „made in Italy“ in der Textilbranche ins Leben gerufen.

Das Etikett und der Ruf, der dahintersteht, können dazu genutzt werden, weitere Investoren anzulocken. Doch es muss darauf geachtet werden, dass es solche sind, die sich auch mit den Werten, der Qualität und dem Lebensgefühl, die die Marke „made in Italy“ verkörpert, identifizieren und diese weiter fördern wollen. Alles andere ist kontraproduktiv und eine Gefahr für deren ideellen, aber auch montären Wert.

almut.siefert@stzn.de