Michael Fuchs liebt die Modelleisenbahn – klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: Peter Petsch

„Bitte Vorsicht auf Gleis eins, Zug nach Langenthal fährt ein.“ Was für den einen nur ein Verkehrsmittel ist, wird für den anderen zu einer faszinierenden Welt voll spannender Details. Michael Fuchs ist Kulissenmaler beim Modelleisenbahnclub Stuttgart.

Stuttgart - In der Welt von Michael Fuchs herrscht immer gutes Wetter. Mal hier, mal da ein Quellwölkchen, aber sonst leuchtet strahlend blauer Himmel. Michael Fuchs ist Kulissenmaler beim Modelleisenbahnclub Stuttgart. Eigentlich ist der 56-Jährige alles andere als ein Künstlertyp. Als Beamter in einer Bundesbehörde hat er mehr mit Zahlen als mit Malen zu tun. Aber er sieht ein bisschen so aus, wie man sich einen Künstler vorstellt. Ein gepflegter Schnauzer und ein Spitzbärtchen zieren sein freundliches Gesicht. Ein bisschen sieht er damit aus wie Rembrandt auf einem seiner späteren Selbstporträts.

Aber Menschen malt Michael Fuchs eigentlich nie, nicht einmal seine Frau hat er bisher versucht zu porträtieren. „Stellen Sie sich vor, das geht daneben, und ich male ihr eine hässliche Nase, dann hab‘ ich ein Problem“, scherzt Michael Fuchs. Dabei ist seine Frau sehr leidensfähig, wie er sagt. Michael Fuchs ist von ganzer Seele Modellbauer, der auch mal in der neuen Küche über dem Cerankochfeld Modelle lackiert, damit er die giftigen Gase über die Dunstabzugshaube absaugen kann. „Das würde doch kaum eine Frau akzeptieren“, sagt er und hat wahrscheinlich Recht damit.

Wie er auf die Malerei gekommen ist? „Anfang der Neunzigerjahre waren wir gerade mit dem Modelleisenbahnclub in neue Räume umgezogen – wir suchten nach einem Weg, die Modelleisenbahnanlage mit farbigen Kulissen auszustatten. Da habe ich eines Nachts, als ich nicht schlafen konnte, im Fernsehen herum gezappt“, erinnert sich Michael Fuchs. Dabei stieß er auf die Do-it- yourself-Malkurse des Amerikaners Bob Ross. „Das war so eine Art Kochsendung für die Malerei“, sagt er. Sie stammen aus einer Zeit, Mitte der Achtzigerjahre, in der die Lehrsendungen im Fernsehen für Autodidakten florierten. Bob Ross ist 1995 verstorben. Seine Sendungen laufen immer noch. In Deutschland derzeit auf BR-Alpha mit dem Titel The Joy of Painting – zu Deutsch die Freude an der Malerei.

Der ICE darf nur ausnahmsweise mal fahren

Der Trick bei der Maltechnik von Bob Ross ist, dass mit Ölfarben auf eine noch feuchte grundierte Fläche gemalt wird, die dann mit der neu aufgetragenen Farbe verschwimmt. „Das ergibt einen verblüffenden Effekt, und Wolken oder Wälder entstehen in atemberaubender Geschwindigkeit“, sagt Michael Fuchs. Die Freunde im Modelleisenbahnclub waren sofort begeistert, und Fuchs legte los. Inzwischen hat er fast die ganze Anlage des Modelleisenbahnclubs im S-Bahn-Halt der Universität in Stuttgart-Vaihingen bebildert.

Dass bei Michael Fuchs immer strahlend blauer Himmel herrscht, bedeutet nicht, dass er keinen Sinn für die Realität hätte. „Ich will keine heile Welt in meiner Modelllandschaft“, sagt er. Auch in der Stuttgarter Modellanlage sind die Wege gesäumt von kleinen Gruppen von Wanderern und spielenden Kindern. Michael Fuchs ist diese immerwährende Urlaubswelt ein Dorn im Auge. Deswegen malt er schon mal ein hässliches Gebäude aus Beton in die Mittelgebirgslandschaft. „Unsere Städte haben im Krieg gelitten, ich will dem Rechnung tragen, denn wir wollen die Realität möglichst detailgetreu nachbilden“, sagt Fuchs. Was für die Kulissen gilt, muss auch für den Rest der Modelleisenbahnanlage gelten: Alles soll im richtigen Maßstab, 1:87, bleiben und ungefähr so wie es in den Siebziger- oder Achtzigerjahren war. Deswegen darf auch nur ausnahmsweise ein ICE auf der fast 1000 Meter langen Schienenstrecke fahren. „Das machen wir den Kindern zuliebe, die bei unseren Vorführungen in die Clubräume kommen“, sagt Michael Fuchs.

Seine eigenen Kinder, zwei Mädchen, konnte Fuchs nicht für den Modellbau begeistern. „Es ist ein Hobby, das nicht mehr populär ist unter jungen Leuten, Computer und Spielkonsolen sind eben attraktiver“. Dabei ist die Modellanlage des Stuttgarter Clubs längst mit neuester Computertechnik ausgestattet. Die Züge werden alle per Strichcodescanner automatisch erfasst und lokalisiert. „Wir haben vielleicht graue Haare, aber von Gestern sind wir nicht“, sagt Michael Fuchs und lacht.