Models stellen in Mailand die Frühjahrs- und Sommermode der kommenden Saison vor. Im internationalen Ranking hat Mailand als Modestadt aber längst verloren - klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie. Foto: dpa

Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer ist die schönste Modestadt auf der Welt? Die Antwort fällt anders aus, als viele denken. Und das hat ganz simple Gründe. Ein Klärungsversuch zum Ausklang der Pariser Modewoche.

Paris - Alle Jahre wieder stellen sich nicht nur die Schönen und Reichen die Frage, wer sich mit dem Titel der Modehauptstadt der Welt schmücken darf. Jahrzehntelang war das kein Thema, die französische Hauptstadt Paris galt nicht nur als Stadt der Liebe, sondern vor allem auch als Zentrum der besten, kreativsten und geschäftstüchtigsten Schneider. Coco Chanel, Yves Saint-Laurent und Karl Lagerfeld, um nur die berühmtesten Namen zu nennen: Wer etwas werden wollte, musste nach Paris, dorthin, wo die Haute Couture, die hohe Schneiderkunst zu Hause ist. Pardon: war. Denn auch in diesem Jahr geht der Weltmeistertitel in dieser Disziplin nicht an die Ateliers an der Rive droite unweit der Seine. Die Welthauptstadt der Mode 2014? New York. Knapp dahinter folgt Paris.

Die Frage, welche Stadt gewinnt, hat allerdings nur bedingt etwas mit dem Verbrauch der Stoffballen pro Kleid oder der Anzahl der Nervenzusammenbrüche eines Couturiers vor seiner Show zu tun. Auch das Aussehen der Models spielt nur eine untergeordnete Rolle. Interessanterweise hat die alljährlich aufgefrischte Rangliste der Modemetropolen etwas mit Sprache zu tun, genauer: mit der Nennung des Städtenamens im Zusammenhang mit Mode in den Medien und der Werbung. Und zwar weltweit.

Gut möglich, das New York erneut zur Modehauptstadt gekürt wird

Unter den restlichen Top Ten rangieren die üblichen Verdächtigen: London, Berlin, Antwerpen, Rom, Barcelona, auch Schanghai. Mailand schwächelt. Die Zählung übernimmt der „Global Language Monitor“, ein im texanischen Austin beheimatetes Institut für Marktforschung. Unwichtig zu betonen, dass die Qualität der präsentierten Mode kaum ins Gewicht fällt. Maßgeblich ist die kluge Vermarktung, die beste Werbung und PR. Man konnte das sehr gut an der diesjährigen Modewoche in New York und der gerade zu Ende gegangenen Prêt-à-porter-Schau in Paris beobachten. Pünktlich zur New York Fashion Week wurde die neue Apple Watch der Öffentlichkeit präsentiert, eine viereckige, klobige Armbanduhr mit Display, auf Wunsch mit einem Gehäuse in 18-karätigem Roségold erhältlich. Dieses digitale Wunderding namens iWatch hat mit Stil und Mode ungefähr so viel gemein wie Karl Lagerfeld mit Birkenstock-Sandalen. Zudem wurden im Central Park Hologramme von Ralph Lauren projiziert, was nicht mehr als eine kindische Spielerei ist und die ohnehin stockkonservativen Entwürfe von Lauren sicher nicht aufregender macht. Dennoch schreibt alle Welt über das Spektakel, ja selbst dieser Artikel verknüpft die Produktpräsentation des Konzerns Apple mit der Fashion Week in New York, ohne über die gezeigte Mode ein Wort zu verlieren. Nur so am Rande: Die Klamotten waren tragbar.

Aufmerksamkeit durch Ereignishysterie – das ist das ganze Geheimnis der Fashion-Kapitale. Gut möglich also, dass New York auch bei der nächsten Zählung zur Modehauptstadt der Welt gekürt wird. Und das, obwohl die gezeigten Kollektionen in Paris wesentlich mutiger waren. Paris bewies nämlich erneut, dass Mode keineswegs nur ein oberflächliches Dingsda für dekadente Schnösel ist, völlig entrückt von den nicht ganz so angenehmen Geschehnissen in der Welt. Die Entwürfe von Alber Elbaz für Lanvin waren von einer frappierenden Schlichtheit, er ließ seine Models in Bleistiftröcken und einfachen Blazern voranschreiten, bleich, wie traumatisiert, in eine feindliche Umwelt, in der das Lachen vergangen ist. Und Dries van Notens opulente Vorführung von Farben, Mustern und Stoffen war alles andere als ein ignoranter Versuch, Krieg und Zerstörung auszublenden. Die Inspiration lieferten die Trachten und Kostüme aus jenen Teilen der Erde, wo Millionen auf der Flucht sind. Welche Stadt die Modehauptstadt ist, ist demnach keine Frage. Es ist und bleibt: Paris.