80 Prozent eines Mobiltelefons lassen sich recyceln. Doch nur jedes 20. Gerät wird wiederverwertet. Foto: dpa

Mit interaktiver Grafik - Verstaubte Mobiltelefone in Schubladen oder Kellern sind versteckte Schätze. Sie enthalten wertvolle wiederverwertbare Metalle, mit denen man sogar Gutes tun kann. Zum Beispiel: Über die Wilhelma Gorillas helfen.

Die Goldgrube

100 Millionen. So viele alte Handys und Smartphones liegen laut einer aktuellenBefragung des Digitalverbands Bitkom in den Schubladen und Kellern der Deutschen. Und es werden immer mehr: Laut der Deutschen Umwelthilfe kaufen die Bundesbürger jedes Jahr rund 35 Millionen neue Mobiltelefone.

Das liegt hauptsächlich daran, dass die Hersteller regelmäßig neue Modelle auf den Markt bringen. Ein weiterer Grund dafür, dass so viele Handys in Schubladen verstauben: „Nach spätestens vier Jahren sind Mobiltelefone kaum mehr etwas wert“, sagt Markus Merkle, Projektleiter des Internetportals Handysektor. Der Umwelthilfe zufolge entstehen so jedes Jahr 5000 Tonnen Elektronikschrott – der überaus kostbar ist. Denn die alten Mobiltelefone enthalten wertvolle recycelbare Metalle. Experten schätzen, dass eine Tonne Handyschrott mehr als 10 000 Euro wert ist.

Die Minenarbeiter

Smartphones enthalten Kunststoffe, Glas, Keramik und etwa 40 verschiedene Metalle. Etwa 80 Prozent eines Mobiltelefons lassen sich recyceln. Doch das geschieht laut Bitkom mit gerade einmal fünf bis acht Prozent der Geräte. Deshalb werden auch die kostbaren und mitunter seltenen Metalle für die Herstellung neuer Handys nicht wiederverwertet. Zu den besonders kostbaren Metallen in Mobiltelefonen gehören zum Beispiel teure seltene Erden wie Tantal. Es wird aus dem Erz Koltan gewonnen.

Zwar steckt in Handys nur der Bruchteil eines Gramms Tantal, und es ist derzeit auch noch nicht möglich, den Stoff wirtschaftlich zurückzugewinnen. Jedoch werden Rohstoffe wie Tantal, Silber, Gold und Gallium unter für die Minenarbeiter in Afrika und Asien unwürdigen Bedingungen abgebaut, sagt Gisela Schneider, Direktorin des Deutschen Instituts für Ärztliche Mission (Difäm).

Beispiel Kongo, wo neben Tantal auch Zinn und Kobalt herkommen: Die Minen, in denen die Arbeiter täglich zwölf Stunden im Dunkeln mit Pickeln in den Händen nach Rohstoffen graben, seien einsturzgefährdet. Immer wieder passieren Unfälle. Die Bezahlung ist schlecht. Nach Angaben des EU-geförderten Umweltprojekts „Make it fair“ verdienen Minenarbeiter im Kongo einen bis zwei Euro am Tag. Ihre Familien können sie damit nicht ernähren.

Schutzkleidung tragen die Frauen und Männer keine. Wegen des Schwermetallstaubs bekämen viele Asthma und Lungenerkrankungen, sagt Schneider. „Im Ostkongo kontrollieren Rebellen außerdem etliche Minen und bringen die Rohstoffe mit Booten nach Uganda und Ruanda, wo sie über Zwischenhändler auf den Weltmarkt gelangen.“ Der Kauf von Mobiltelefonenfinanziere so nicht nur Rebellen und den Bürgerkrieg mit, sondern destabilisiere auch die Region. „Obwohl der Kongo fruchtbar ist, sind die Menschen unterernährt. Sie können keine sichere Landwirtschaft betreiben“, sagt Schneider.

Das Bündnis

Vor dem Hintergrund der laut Kritikern miserablen und menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen von Minenarbeitern sowie der Rebellen, die den Abbau und Verkauf der Bodenschätze vor allem im Osten des Kongos kontrollieren, haben sich zum ersten Mal Organisationen aus Kirche und Zivilgesellschaft zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Außer des Difäm, der Diakonie Württemberg und des Entwicklungspädagogischen Informationszentrums (EPiZ) sind unter anderem auch der Dachverband Entwicklungspolitik Baden-Württemberg und das evangelische Jugendwerk in Württemberg beteiligt.

Im Rahmen der sogenannten Handy-Aktion will das Bündnis in den kommenden zwei Jahren landesweit mehr als 100 000 alte Telefone sammeln. Interessierte können auf der Internetseite www.handy-aktion.de kostenlose Sammelboxen bestellen. Künftig sollen auch in den Weltläden und an weiteren öffentlichen Orten Kartons stehen, in die Bürger ihre ausrangierten Geräte werfen können, sagt Ralf Häußler vom Zentrum Entwicklungspolitik und Bildung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.

Das Recycling übernimmt ein Münchner Unternehmern. Dabei werden Häußler zufolge fünf Rohstoffe zurückgewonnen, darunter Silber und Gold. Die Erlöse aus der Aktion sollen in Projekte für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen im Kongo, in Uganda und Äthiopien fließen. Mithilfe der Aktion will das Bündnis ein Bewusstsein für die sozialen, menschenrechtlichen und ökologischen Folgen der Rohstoffgewinnung und Produktion von Mobiltelefonen schaffen. Die Organisatoren hoffen, dass Verbraucher ihre Telefone künftig länger benutzen, ihre alten Geräte recyceln oder sich beim Kauf eines neuen Handys im Geschäft nach den Produktionsbedingungen erkundigen.

Die Vorgängermodelle

Es muss nicht immer das neue Modell eines Mobiltelefons sein, sagt Jürgen Nadler, Multimediaexperte bei der Stiftung Warentest. Er empfiehlt Nutzern, ein hochwertiges Auslauf- oder Vorjahresmodell mit guten Bewertungen zu kaufen. „Das ist dann kein schlechte Smartphone. Wenn ein Produkt schon sechs oder sieben Jahre lang auf dem Markt ist, gibt es zum Beispiel hinsichtlich der Qualität keine dramatischen Veränderungen mehr“, sagt Nadler. Älter als ein oder zwei Jahre sollte das Auslaufmodell allerdings nicht sein. Wer ein gebrauchtes Mobiltelefon kauft, der sollte laut dem Experten auf die Vollständigkeit sowie mögliche Schäden achten oder den Vorbesitzer darauf ansprechen. Bestenfalls lässt sich der Akku selbst wechseln.