Eine Frau hat ein Smartphone von LG in der Hand. Sechs von zehn Deutschen besitzen bereits ein Computerhandy Foto: AP

Neun von zehn Deutschen kaufen als Handy ein Smartphone. Da sie von überall online Videos sehen oder Fotos hochladen, übertrifft der Umsatz mit Datendiensten erstmals den mit Sprachdiensten.

Stuttgart/Berlin - In Deutschland werden dieses Jahr voraussichtlich 24,6 Millionen Smartphones verkauft – rund vier Prozent mehr als 2014. Damit schwächt sich das Wachstum der Vorjahre leicht ab. Ein Grund ist, dass mittlerweile bereits sechs von zehn Deutschen ein Computertelefon besitzen. Außerdem nimmt die Attraktivität, auf ein neueres Modell umzusteigen, ab. „Die Geräte sind inzwischen so ausgereift, dass die Nutzer wenig Anlass sehen, jeden Modellwechsel mitzumachen“, sagte Jens Schulte-Bockum vom Bitkom. Der IT-Branchenverband hat Untersuchungen des European IT Observatory (EITO) ausgewertet, zu dem neben Bitkom auch die Marktforschungsinstitute IDC und GfK gehören.

Trotz steigender Absatzzahlen soll laut Prognosen der Smartphone-Umsatz in Deutschland dieses Jahr um 1,2 Prozent auf rund acht Milliarden Euro sinken. Kamen noch vor Jahren vor allem hochpreisige Smartphones in den Handel, werden inzwischen Modelle für alle Preisklassen angeboten. Computertelefone für Einsteiger sind schon für unter 100 Euro zu haben. Auch deshalb entscheiden sich derzeit neun von zehn Kunden für ein Smartphone und gegen ein konventionelles Handy. Noch vor sechs Jahren war das Verhältnis genau umgekehrt.

Herkömmliche Geräte nutzen laut Bitkom Kunden vor allem als Zweitgerät. Beliebt sind sie bei älteren Menschen, die nur telefonieren wollen, sowie bei Eltern, die ihre Kinder bewusst mit einem Handy ohne Internetanschluss ausstatten. Da konventionelle Handys meist günstig sind, spielen sie beim Umsatz praktisch keine Rolle mehr. Sie machen nur noch zwei Prozent des gesamten Handymarkts aus.

Um weiterhin Kunden zu ködern, müssen die Hersteller vor allem mit deutlich längeren Akkulaufzeiten punkten. Da das Smartphone zum täglichen Begleiter geworden ist und neben dem Telefonieren auch zum Online-Surfen, Fotografieren, Navigieren oder Musikhören genutzt wird, macht die Batterie oft nach einem Tag schlapp. Für 70 Prozent der Befragten ist dies das größte Problem. Auch deshalb arbeiten Hersteller derzeit an stromsparenden Varianten. Knapp jeder zweite Verbraucher wünscht sich eine Smartphone-Kamera mit besserer Qualität. Das Smartphone ersetze zunehmend die Digitalkamera, betonte Schulte-Bockum. „Es wird nicht mehr nur für Schnappschüsse genutzt, sondern als vollwertige Kamera.“

Fast jeder dritte Befragte wünscht sich auch ein größeres Display. Fast alle Hersteller produzieren bereits größere Smartphones, selbst Apple hat erstmals mit der jüngsten i-Phone-Generation ein größeres Handy auf dem Markt gebracht. Der Boom von extra-großen Smartphones, so genannten Phablets, setzt auch den Tablet-Markt unter Druck. Zwar sollen die Absatzzahlen in Deutschland dieses Jahr erstmals die 9-Millionen-Marke überspringen – ein Plus von 4,6 Prozent im Vergleich zu 2014; doch noch vor zwei Jahren betrug das Wachstum noch mehr als 50 Prozent. „Viele Verbraucher nehmen ein größeres Smartphone und verzichten auf ein Tablet“, sagte Schulte-Bockum. Tablets würden in vielen Haushalten von mehreren Personen genutzt. Für Ältere sind Tablets oft das Gerät, mit dem sie erstmal online surfen.

Inzwischen gehen mehr Verbraucher mit Smartphone, Tablets und Laptops ins Netz als mit dem heimischen Desktop-Computer. Weil sie auch von unterwegs Videos live anschauen oder Fotos hochladen, wachsen die Datenmengen, die die Mobilfunknetze übertragen müssen, rasant. In diesem Jahr werden voraussichtlich 480 Millionen Gigabyte Daten übertragen – 110 Millionen Gigabyte mehr als 2014 und 44-mal mehr als im Jahr 2008. Das Wachstum nimmt weiter zu – immer mehr Haushaltsgeräte, Autos oder Maschinen werden mit dem Internet vernetzt.

Mobile Datendienste entwickeln sich zum wichtigsten Umsatztreiber für Telekom-Firmen und werden mit einem geschätzten Umsatz von 10,3 Milliarden Euro in diesem Jahr in Deutschland erstmals das Geschäft mit mobilen Sprachdiensten übertreffen, das auf 9,7 Milliarden Euro taxiert wird – ein Rückgang von rund acht Prozent. „Das mobile Internet ist zur treibenden Marktkraft geworden“, sagte Schulte-Bockum.