Demonstration auf dem Stuttgarter Marktplatz. Foto: dpa

Die Händler in der Stadt sehen sich im Nachteil gegenüber den beiden modernen Shopping-Centern und kritisieren die Stadt. Am 4. November veranstalten die Stuttgarter Nachrichten dazu eine Diskussionsrunde.

Stuttgart - Es war der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Seit dem 5. April dieses Jahres sagen viele Einzelhändler in der Stadt: Es reicht! Denn an diesem Tag war gleichzeitig lange Einkaufsnacht und eine Großdemo in der City. „Als ich in meiner Mittagspause eben den Marktplatz durch die Kirchstraße verlassen und später über die Schulstraße wieder betreten habe, hatte ich die Befürchtung, dass wir uns mit unserem Geschäft in einem bürgerkriegsgefährdeten Gebiet befinden“, sagte Thomas Breuninger, Geschäftsführer von Tritschler damals. Seinem Protest an die Stadt schlossen sich zahlreiche Händler an. Korbmayer etwa. Oder Spielwaren Kurtz.

Sie alle fragen sich in solchen Momenten: Wird darüber nachgedacht, welche Auswirkungen so etwas auf die Kunden und deren Einkaufslust hat? Wenn ja, sind die Interessen der wenigen in der Innenstadt verbliebenen inhabergeführten mittelständischen Einzelhandelsgeschäfte so unwichtig?

Dahinter steckt bei aller Emotionalität ein nüchternes Kalkül: Wollen die Geschäfte der City in Zeiten des Online-Handels und der Konkurrenz durch die Einkaufscenter Milaneo/Gerber wettbewerbsfähig bleiben, ist ein attraktiver Handelsplatz dafür die Basis. Genau hier liegt auch das Problem für Rainer Bartle, Geschäftsführer des Buchhauses Wittwer: „Wettbewerb ist immer gut, für alle. Allerdings nur, wenn man sich dem Wettbewerb auch wirklich stellen kann. Man muss als Stadt nicht alles erlauben, was nicht verboten ist.“

Damit spielt Bartle in erster Linie auf die vielen Demos vor seiner Ladentür oder die regelmäßige Montagsdemo an. Aber auch die vielen Infostände auf der Königstraße. Nicht zuletzt ist ihm und den anderen Händlern die wachsende Schar der Bettler ein Dorn im Auge. Zusammengenommen schmälern alle diese Faktoren die Attraktivität und Aufenthaltsqualität in der Stadt.

Nach Informationen des Handelsverbands machen Geschäfte im Umfeld des Marktplatzes an einem Demo-Tag bis zu 30 Prozent weniger Umsatz. Zugespitzt fragt Bartle daher in Richtung des Ordnungsbürgermeisters Martin Schairer: „Ist bei der Stadt überhaupt angekommen, in welcher Lage sich der Handel in der Stadt befindet?“

City-Managerin Bettina Fuchs geht noch weiter: „Ein anderes Thema ist Müll, Verschmutzung und das allgemeine Erscheinungsbild: Man muss gar nicht lange suchen, denn überquellende und verbeulte Mülleimer, Laternenmasten mit Aufklebern und Beschriftungen begegnen einem überall. Auch der Taubendreck geht durch einen Regenguss nicht mehr weg. Ebenfalls sind Sitzbänke, Überdachungen und das Leitsystem reparaturbedürftig.“

Bürgermeister Martin Schairer versichert jedoch: „Wir haben Verständnis und sind sensibilisiert.“ Aber manchmal seien dem Ordnungsbürgermeister eben die Hände gebunden – wie die einzelnen Beispiele zeigen:

Bettler

„Wir haben ja eine allgemeine Verfügung gegen das aggressive Bettlen erlassen“, sagt Schairer, „aber unser Vollzugsdienst schafft es personell nicht, die Verfügung umzusetzen. Daher muss uns da die Polizei helfen.“ Doch die denkt gar nicht daran, das Amt bei den Kontrollen zu unterstützen.

Demonstrationen

„Wir hatten bisher in diesem Jahr 1200 Demonstrationen – so viel wie noch nie zu diesem Zeitpunkt“, sagt Schairer. Große Hoffnungen, dass sich die Zahl in Zukunft verringert, kann er den Einzelhändlern allerdings nicht machen, solange sich alles in einem Rechtsrahmen abspiele. Die Versammlungs- und Meinungsfreiheit seien durch das Grundgesetz geschützte Güter. Gleichwohl sei man bemüht, die Belastungen für die City nun in Grenzen zu halten und die eine oder andere Demo zu verlegen.

Infostände

Ganz gleich, ob Salafisten oder Scientologen: Den Händlern wird die Belastung zu viel. Für sie spricht City-Managerin Bettina Fuchs: „Viele der Infostandbetreiber halten sich nicht an die Regeln und verteilen Unterlagen und gehen gezielt auf Passanten zu. Das ist nicht zulässig. Für Kunden kann so ein Einkaufsbummel dann schnell zu einem Spießrutenlauf werden.“ Dazu sagt Schairer klar: „Diese Stände dürfen keine Passantenströme behindern.“ Zudem gelten für die Königstraße enge Rahmenbedingungen. Sogenannte Sondernutzungsrichtlinien. Sie will Schairer in Zukunft auf weitere Bereiche der Innenstadt ausdehnen, um den Händlern entgegenzukommen: „Der öffentliche Raum ist in diesem Bereich gewachsen, diesem Faktor wollen wir Rechnung tragen und so die Belastungen durch die Infostände so gering wie möglich halten.“


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