Der Briefwechsel zwischen der EnBW und Peter Schneider ist fingerdick. Foto: dpa

Die EnBW schickte einem schwerbehinderten Rentner Mahnungen für eine Schuld, die es nie gab. Mit einem Anruf aus der Redaktion bei der Pressestelle der EnBW konnte diese Geschichte schließlich beendet werden.

Untertürkheim - Diese Geschichte hätte mit einem Satz beendet sein können: „Sehr geehrter Herr Schneider, gerne bescheinigen wir Ihnen hiermit, dass wir die aktuelle Gas-Rate direkt an die EnBW überweisen.“ So verfasst mit Briefkopf, Unterschrift und freundlichem Gruß vom Sozialamt, Außenstelle Untertürkheim.

Es geht um 126,82 Euro

Nur hat diesen Satz offenkundig niemand zur Kenntnis genommen, weder bei der EnBW, der Energie Baden-Württemberg, noch beim Inkassounternehmen Tesch, das Schneider zuletzt im Februar im Auftrag des Energiekonzerns aufforderte, binnen 14 Tagen eine Nachzahlung auf seine Gasrechnung aus dem Winter von 2012 auf 2013 zu begleichen. Ansonsten werde die Schuld „über unsere Vertragsanwälte geltend“ gemacht und „später hieraus die Zwangsvollstreckung“ vollzogen. Wegen – inklusive aller Mahngebühren – 126,82 Euro, die der renitente Schuldner sich auch ein Jahr nach der ersten Mahnung noch zu zahlen weigerte.

Dies durchaus zu Recht, denn Peter Schneider ist – falls es je eine Schuld gab - nicht der Schuldner.

Er heißt Peter, aber Schneider nur für diesen Text. „Ich habe immer Pech.“ Das sagt er oft. Wer seine Stimme nicht gewohnt ist, muss nachfragen. Schneider spricht seit einer Kehlkopfoperation durch eine Prothese, die nicht richtig funktionieren will. Die Luft pfeift durch Undichtigkeiten, die es nicht geben dürfte. 60 Jahre Reval ohne, nach Großvater Sitte.

Romantaugliche Lebensgeschichte

Seine Lebensgeschichte würde für einen Roman taugen, Titel „Das Leben des Peter S.“, Inhaltsangabe: Die Eltern verlor Schneider im Krieg. Im Waisenhaus wuchs er auf. Im Alter von 18 Jahren wurde er zum ersten Mal Vater. Heiraten musste er mit Genehmigung des Staates, weil damals die Volljährigkeit erst mit 21 begann. Inzwischen ist er Urgroßvater. Mit eigener Hände Arbeit hatte er ein Unternehmen gegründet – Branche Heizungsbau – und war zu Wohlstand gekommen. Den hat er in einer dubiosen Scheidung wieder verloren. Inzwischen lebt er in einer Anderthalb-Zimmer-Wohnung in Untertürkheim, die nach Bratfett und Desinfektionsmittel riecht.

Bis zu seinem Siebzigsten hätte Schneider an der Klimmzugstange manch’ 20-Jährigen alt aussehen lassen. Wegen einer verkorksten Darmoperation verlor er nach dem Geld die Gesundheit, brach sich dann bei einem Sturz drei Wirbel an, die nicht heilen wollen. Bisher ist keinem Arzt eine passende Therapie eingefallen. An guten Tagen kann er ein paar hundert Meter gehen, an schlechten verlässt er seine Wohnung nicht, der Schmerzen wegen. Schneider ist amtsoffiziell schwerbehindert. Was er nicht verloren hat, sind Stolz und – trotz allem – Frohsinn.

Ein Anruf beendet die Geschichte

„Die haben mir gesagt: Sie sind doch besoffen“, erzählt er, „wegen meiner Stimme“. Das war bei einem Versuch, die Firma Tesch Inkasso vom Offenkundigen zu überzeugen. Schneider lebt seit Jahren von Hartz IV. Seine Heizungskosten, um die geht es, zahlt die Stadt. Seinerzeit hatten die Geldeintreiber mit Sitz in Wiehl bei Köln ihn wissen lassen: „Wir gehen davon aus, dass Sie nunmehr die Berechtigung der Ansprüche feststellen können.“ Davon, dass die Ansprüche unberechtigt sind, hatte auch das Sozialamt schon zu überzeugen versucht. Ungeachtet dessen ist der Briefwechsel inzwischen fingerdick. Davon abgesehen, war die Summe von ursprünglich 80,43 Euro auf jene 126,64 Euro gestiegen. Stand heute ist sie auf null gesunken.

Diese Geschichte war nicht mit einem Satz beendet, aber mit einem Anruf, einem der Redaktion bei der Pressestelle der EnBW. „Das ist bei uns unglücklich gelaufen“, sagt der Unternehmenssprecher Ralph Eckhardt, „es gab einen Fehler bei der Übergabe der Adresse“. Die EnBW habe auch versucht, mit Schneider zu telefonieren, ihn aber nicht erreicht. Inzwischen allerdings ist laut Eckhardt die Rechnung bei der Buchhaltung getilgt und das Inkassounternehmen benachrichtigt. Vom Anruf der Redaktion bis zu dieser Auskunft vergingen keine 24 Stunden. Ein paar Tage später hat das Unternehmen sich bei Schneider entschuldigt, einfach auf alt hergebrachtem Wege – per Brief.