Ehemalige Heimkinder und Kinderheim kommen nicht zur Ruhe Foto: Max Kovalenko

Die Aufarbeitung der Vorfälle im Korntaler Kinderheim gerät ins Stocken. Der vorgesehene Wissenschaftler ist wieder abgesprungen. Die Diakonie will nun mit „Vertretern“ der Opfern reden. Ob es dazu kommt, bleibt offen.

Stuttgart - Seit diesem Sommer ist die Diakonie der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal schweren Vorwürfen ausgesetzt. In ihrem Kinderheim, dem Hoffmannhaus, habe es in den 60er und 70er Jahren sexuelle Übergriffe, Vergewaltigungen und Misshandlungen geben. So schildert es Detlev Z., der vor Gericht Schadenersatz in Höhe von 1,1 Millionen Euro einklagen möchte. Die Klageschrift, mit der Z. im Sommer an die Öffentlichkeit gegangen ist, seine Aufforderung zu einem öffentlichen Bekenntnis und der öffentliche Druck hatten die Aufarbeitung der Heimgeschichte in Gang gesetzt.

Jetzt teilt die Diakonie der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal mit: „Die Diakonie (hat) in ihrem Anliegen (. . .) einen Rückschlag hinnehmen müssen. Leider haben wir trotz eines vielversprechenden Gesprächs mit einer Fachkapazität eine Absage erhalten“, teilt Klaus Andersen mit, der Vorsitzende der Kommission Aufarbeitung und Missbrauch.

Der Fachmann, dessen Namen die Diakonie nicht preisgeben will, ist Professor an einer der Stuttgarter Hochschulen und habe zur Bedingung gemacht, als Sachverständiger von beiden Seiten – der Diakonie und den ehemaligen Heimkindern – beauftragt zu werden. „Diese Chance schien ihm nicht gegeben“, sagt Diakonie-Pressesprecher Manuel Liesenfeld; der Professor machte schriftlich „unüberwindliche Schwierigkeiten“ wegen „sich gegenüberstehender Interessen“ geltend. Man suche jetzt mit Hochdruck nach einem anderen Fachmann.

In einer Pressemitteilung kündigte der Heimträger am Donnerstag an, dass er „Vertreter ehemaliger Heimkinder“ zu Gesprächen einladen möchte. Inzwischen kämpft Detlev Z. nämlich nicht mehr allein für seine Sache. Ein Unterstützerteam hat sich gebildet, zu ihm gehört auch der Leiter der Korntaler Musikschule, Peter Meincke. Ihn sieht die Diakonie Korntal als „Vertreter“, Peter Meincke selbst widerspricht: „Dafür habe ich keinen Auftrag, außerdem empfehle ich eine neutrale Kommission.“

Auch Detlev Z. ist pikiert: „Was erlauben die sich? Wer uns vertritt, das bestimmen wir selbst“, sagt er, der Gespräche mit seiner Person schon lang einfordert. Mit „uns“ meint er die Ex-Heimkinder, die sich nach und nach gemeldet haben und ähnliche Erinnerungen an ihren Heimaufenthalt haben wie Detlev Z. Mehrere Betroffene haben in einem offenen Brief sogar den Vorwurf erhoben, es habe neben dem als pädophil geschilderten ehemaligen Hausmeisters „sehr viele weitere Täter gegeben, die sich kannten und vernetzt waren“. In Korntaler Privathäusern hätten Kinder aus dem Heim „den Tätern zur Verfügung stehen“ müssen.

„Wir nehmen unsere Vertreter gern mit, aber wir werden auch selbst dabei sein“, sagt Detlev Z., der vor allem nicht „ausgehorcht“ werden und der verhindern will, dass das Protokoll nicht „gelocht und abgeheftet wird und für immer in einem Aktenordner verschwindet“. Er könne sich allerdings vorstellen, nach den Gesprächen eine öffentliche Erklärung abzugeben.

Unter dem Dach einer Interessengemeinschaft (IG) sollen sich künftig alle Heimopfer sammeln und austauschen. Der Stuttgarter Opferanwalt Michael Erath ist beratend für die IG tätig, zu der inzwischen rund 50 Menschen gehören.