Detlev Zander mit einem Foto aus seiner Zeit im Kinderheim in Korntal Foto: dpa

Im Aufklärungsprozess um Missbrauchsfälle im Korntaler Kinderheim sind erste Ergebnisse erzielt worden. Die Opfer sollen bis zu 5000 Euro erhalten.

Stuttgart/Korntal - Demütigungen, Zwangsarbeit, Misshandlungen, Vergewaltigungen – so lauteten die Vorwürfe, die Detlev Zander vor rund zwei Jahren gegen ehemalige Mitarbeiter der Evangelischen Brüdergemeinde Korntal erhoben hat. Nun sagt die Brüdergemeinde Geldzahlungen an Opfer zu. Betroffene, deren Ansprüche verjährt sind, sollen „in Anerkennung ihres Leids“ bis zu 5000 Euro erhalten.

„Wir wissen noch nicht, wie viele Betroffene ihre Ansprüche anmelden, aber wir müssen zeigen, dass wir unsere moralische Verantwortung für die Geschehnisse annehmen“, sagt Klaus Andersen, der Vorsteher der Gemeinde. Andersen stellt klar, dass das Geld nicht aus der Summe bestritten werde, die von der Brüdergemeinde für den laufenden Aufklärungsprozess zur Verfügung gestellt wird, sondern zusätzlich aufgebracht werden muss. Geld Verwalten und ausbezahlen soll dann eine Treuhandstiftung.

Von März an Infos für Betroffene bei einer Hotline

Wie Betroffene ihre Ansprüche künftig anmelden können, werde unter Leitung der Erziehungswissenschaftlerin Mechthild Wolff zwischen Brüdergemeinde und den ehemaligen Heimkindern ausgehandelt, sagte Andersen zu. Die Betroffenen könnten sich künftig bei einer Hotline über das Verfahren informieren.

Detlev Zander (55) ist nicht zufrieden mit diesem Ergebnis: „Ich fordere mindestens 50 000 pro Fall“, sagt er. Bei den Regensburger Domspatzen, führt er an, würden selbst in so genannten leichten Fällen allein schon 2500 Euro bezahlt, die Nordkirche habe Heimopfern maximal 30 000 Euro zugestanden. Seinen eigenen Prozess konnte er, nachdem Prozesskostenhilfe vom Gericht verweigert worden war, nicht weiterverfolgen. „Ich stelle ihn aber auch zurück, weil ich die Aufarbeitung nicht gefährden will.“

Die hat – jetzt sichtbar – Fahrt aufgenommen. Mehrere Forscher, darunter Juristen, und Sozialwissenschaftler, werden unter der Leitung von Mechthild Wolff das Versagen einzelner Mitarbeiter und der Institution beleuchten. Dadurch waren Gewalt, Erniedrigung und sexuelle Übergriffe auf Schutzbefohlene überhaupt erst möglich. Die Gruppe soll die Vorfälle straf-, dienst und jugendhilferechtlich bewerten, unabhängig davon, ob sie nach juristischen Maßstäben schon verjährt sind, oder nicht.

Dazu wird eine Meldestelle eingerichtet, die schon im März ihre Arbeit aufnehmen soll. „Wir werden uns als nächstes darüber verständigen, wie alle Aktivitäten so abgestimmt werden können, dass nicht doppelt gearbeitet wird und dass die Aufarbeitung vor allem für die Betroffenen transparent bleibt“, lässt Mechthild Wolff wissen.

Die Beschuldigten reden erstmals von Tätern

Damit signalisiert die Wissenschaftlerin, dass sie einen zusätzlichen „Aufklärer“ nicht unbedingt für nötig erachtet. Zander hatte dafür Ulrich Weber vorgeschlagen. Der untersucht zurzeit die Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen.

Fast zwei Jahre sind vergangen, seit der in Niederbayern lebende ehemalige Heimbewohner Zander eine Millionenklage gegen die Brüdergemeinde erheben wollte. Heute sagt er, der Aufklärungsprozess zeige Fortschritte. Kleines hätten die Opfervertreter erreicht, wie beispielsweise die Übernahme ihrer Fahrt- und Kommunikationskosten durch die Brüdergemeinde. Das Wichtigste aber ist für Detlev Zander, dass Klaus Andersen die damalige Brüdergemeinde als „Täterorganisation“ bezeichnet. Als würde er den Opfern endlich Glauben schenken.