Am Montag muss Justizminister Stickelberger dem Landtag Rede und Antwort stehen wegen der Vorfälle in Bruchsal. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Das Gefängnis Bruchsal kommt nicht zur Ruhe: Eine Sozialarbeiterin hat offenbar Namenslisten von Therapieteilnehmern mit herabwürdigenden Äußerungen versehen.

Stuttgart - Die Serie der behördlichen Fehlleistungen in der Justizvollzugsanstalt Bruchsal reißt nicht ab. Nach Informationen unserer Zeitung kursieren im Gefängnis brisante Listen mit den Namen von Gefangenen, die an Therapiesitzungen teilgenommen haben.

Eine Sozialarbeiterin habe diese Namen mit handschriftlichen Zusätzen versehen, die zum Teil „nicht hinnehmbare verbale Entgleisungen“ darstellten. So lautet die interne Beurteilung des Vorgangs durch das Justizministerium, das Ende Oktober davon erfuhr. Um welche Bemerkungen es sich konkret handelt, blieb einstweilen offen.

Ruchbar wurde diese Fehlleistung der Sozialarbeiterin, die in Bruchsal als Tarifkraft arbeitet, als sie versuchte, die Namenslisten zu vernichten. Sie steckte sie in einen Reißwolf, der jedoch während des Schredderns defekt wurde, so dass er nur einen Teil der Papiere zerschnitt. Daraufhin gab sie das Gerät zur Reparatur in die Gefängniswerkstatt – wo jedoch ein Häftling die halb zerstörten Listen wieder zusammenklebte und kopierte. Bei einer Haftraumkontrolle wurden sie gefunden.

Die Sozialarbeiterin hatte die Notizen offenbar angefertigt, als sie die Urlaubsvertretung für einen beamteten Kollegen übernahm. Bei der Übergabe soll sie die Therapieteilnehmer handschriftlich charakterisiert haben mit Bemerkungen wie „ruhig“ oder „weint schnell“. Bei zwei Gefangenen seien die Charakterisierungen „nicht hinnehmbar“, so die interne Einschätzung.

Der Vorgang ist deshalb brisant, weil dem Vernehmen nach beide Sozialarbeiter auch für den im August in Einzelhaft verhungerten Gefangenen aus Burkina Faso zuständig waren. Ob sich die despektierlichen Bemerkungen auf diesen bezogen, ist nicht bekannt. Möglicherweise handelt es sich aber bei der Liste um Beweismaterial im Fall des verhungerten Häftlings.

Justizminister Rainer Stickelberger, der seit dem Hungertod des Gefangenen politisch erheblich unter Druck steht, kommt nun noch weiter in Erklärungsnot. Die Landtags-CDU hat ihn für kommenden Montag vor den Ständigen Ausschuss zitiert, wo er Rede und Antwort zu mehreren Fehltritten der Anstaltsleitung stehen soll, die zuletzt ans Licht der Öffentlichkeit kamen.

So wurde jüngst ein weiterer Fall einer nicht genehmigten Einzelhaft bekannt – bereits der verhungerte Mann aus Burkina Faso war das letzte halbe Jahr seines Lebens isoliert, ohne dass das Ministerium dies genehmigt hätte.

Der SPD-Politiker soll nun dem Landtag erklären, warum er die fehlende Genehmigung den Abgeordneten verschwieg: „Kann er dies nicht, werden wir weitere Schritte in der Fraktion besprechen“, sagte Fraktionschef Peter Hauk. Nicht ausgeschlossen ist, dass die CDU einen förmlichen Entlassungsantrag gegen Stickelberger stellt.

Der jüngste Fall von rechtswidriger Einzelhaft liegt aber offenbar kompliziert. Laut Ministerium handelt es sich um einen Gefangenen, für den „zu keinem Zeitpunkt“ Einzelhaft beantragt wurde. Dieser sei auch nicht ununterbrochen isoliert, sondern zeitweise auch in Kliniken untergebracht gewesen. Ob überhaupt eine Antragspflicht für diese Zwangsmaßnahme bestand, werde derzeit noch geprüft. Eine Einzelhaft muss dann bei der Aufsichtsbehörde beantragt und durch sie genehmigt werden, wenn sie innerhalb eines Jahres in der Summe länger als drei Monate dauert.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke wirft Stickelberger vor, Versäumnisse nur scheibchenweise einzuräumen. Jüngst wurde bekannt, dass der wegen des Häftlingstods suspendierte Anstaltschef 2009 ermahnt wurde, weil er in seinem Weihnachtsgruß eine Liedzeile einer rechtsgerichteten Rockband verwendet hatte.

Im Herbst 2013 wurden gegen zwei Bedienstete der Justizvollzugsanstalt Disziplinarstrafen verhängt, weil sie mit einem Mummenschanz Gefangene verhöhnt hatten. Ein Bediensteter hatte den anderen in ein gestreiftes Häftlingskostüm gesteckt, den Kollegen an eine Heizung gekettet, den Mund zugeklebt und ihm schwarze Schuhcreme auf Stirn und Kopfhaut geschmiert. Kollegen machten davon Fotos.