Sergio Muto mit den Miniköchen auf der Landesmesse im Einsatz Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Deutschen kochen nicht mehr, Kinder können eine Zucchini nicht von einer Salatgurke unterscheiden. Solche Schreckensmeldungen geistern immer wieder durchs Land. Was geschehen kann, wenn man dem Nachwuchs die Lust am Essen nahe bringt, zeigt der Einsatz der Miniköche auf der Messe.

Stuttgart - Flink, aber mit wohldosiertem Druck malt Sergio Muto im Kräutermörser. Ein leichter Duft nach Basilikum breitet sich aus. Niklas folgt jeder Bewegung. Versonnen bewegt er dabei probehalber den Stößel in seiner Hand. Der Zehnjährige ist einer der Miniköche, die heute gemeinsam mit dem Spezialisten Pesto zubereiten dürfen – vor Publikum auf der Messebühne.

Nervös wirkt keines der Kinder. Nur gespannt darauf, endlich selbst loslegen zu können. „Ich bin jetzt auch zu Hause der Koch“, verkündet Niklas stolz. Ob er eines Tages beruflich am Herd stehen will, weiß er noch nicht. „Das ist zumindest in Erwägung zu ziehen“, sinniert er. „Im Moment macht es vor allem Spaß.“ Der gleichaltrige Leon genießt es ebenfalls, in der Küche zu stehen. Neulich habe er mit seiner Mutter selbst Maultaschen gemacht, erzählt er. Kuchen backen sei auch toll, obwohl sie zu Hause gar keinen Kuchen äßen. Der pragmatische Ausweg: Das Backwerk wird verschenkt.

Was zunächst überrascht, ist die Tatsache, dass sich Mädchen und Jungs bei den Miniköchen zahlenmäßig die Waage halten. Kochen als Frauensache? Von wegen! „Wenn ich Freunden erzähle, was wir hier machen, sind einige richtig neidisch, die finden das cool“, erzählt Niklas.

Für Muto, der vor zwei Jahren in Genua zum Pesto-Weltmeister gekürt wurde, ist es wenig überraschend, wie eifrig und ernsthaft die kleinen Köche mitgearbeitet haben. „Kinder sind viel konzentrierter bei der Sache als Erwachsene“, weiß er aus Workshop-Erfahrung. „Am Schlimmsten sind Männer. Die wissen immer schon alles. Kinder sind neugierig. Man muss sie nur motivieren.“ Der These, Kinder würden sich am liebsten von Würstchen und Pommes ernähren, widerspricht er entschieden: „Ich bin mir sicher, dass Eltern oft einfach zu wenig Angebote machen und sich mit dem begnügen, was auf jeden Fall funktioniert.“ Das Angebot des Pesto-Experten liest sich an diesem Mittag wie folgt: Basilikum, Olivenöl, Parmesan, Schafskäse, Pinienkerne, Knoblauch und Salz. Mit Kräutermörser und Stößel machen sich die Miniköche über die Zutaten her – vom Meister angeleitet. „Du machst ein bisschen mehr, was? Willst du jemanden einladen?“, fragt er eines der Kinder. Hier rät er zu einer weiteren Prise Salz, dort empfiehlt er mehr Mut zum Knoblauch. „Es kommt auf das Fingerspitzengefühl an“, betont Muto. „Man muss ausprobieren, wie es einem am besten schmeckt.“ Der 60-Jährige, der 1976 aus Italien nach Stuttgart kam, weiß, wovon er spricht: Er ist gelernter Stuckateur und passionierter Hobbykoch. Sein erstes Pesto hat er vor sieben Jahren gemacht. Die Zutaten musste er googeln. Inzwischen betreibt Sergio Muto das Feinkostgeschäft „La Fattoria“ in Stuttgart-Botnang.

Nach der Verkostung der Ergebnisse durch das Publikum gehen die ersten Bestellungen ein: „Ich soll das heute Abend gleich noch einmal machen“, freut sich Niklas. Gelernt hat er auch etwas: „Die Pinienkerne habe ich zuerst für Sonnenblumenkerne gehalten“, gibt er zu. Lehrreich wird wohl auch der kommende Samstag werden: Dann geht es gemeinsam mit den jungen Kollegen ins Parkhotel. „Die Resonanz seitens unserer Partner ist durchweg positiv“, zieht Beate Graf eine erste Zwischenbilanz. „Die Gastronomie hat Nachwuchssorgen. Bei den Miniköchen können die Beteiligten schon mal für ihr Berufsfeld werben.“ Die Kinder erhalten am Ende ein IHK-Zertifikat – eine Praktikumsbescheinigung. Vor allem aber werden sie wissen, dass es nicht nur ums satt werden geht, wenn man kocht. „Ein gutes Essen, ein guter Wein und kein unnötiger Stress – das hält gesund“, fasst Sergio Muto zusammen. „Ich arbeite gern, aber ab und zu muss man sich auch einfach zurücklehnen und genießen.“

Das von der EU geförderte Konzept der Miniköche gibt es bereits seit 25 Jahren, erklärt Beate Graf, die das Projekt auf den Fildern angestoßen hat. Der Heilpraktikerin ist daran gelegen, dass Kinder ein Bewusstsein für gesunde Ernährung, aber auch für den kulturellen Aspekt des gemeinsamen Essens entwickeln. So machte sie sich auf die Suche nach Partnern und Sponsoren. Das über die Wirtschaftsoase geknüpfte Netzwerk war dabei hilfreich. Seit September treffen sich nun 20 Nachwuchsküchenmeister im Alter zwischen neun und elf Jahren um beim Bäcker, in Hotels oder Restaurants zu hospitieren und Grundlegendes über gesunde Ernährung, guten Service oder einladend gedeckte Tische zu lernen. Kulturtechniken wie Spätzle schaben stehen ebenfalls auf dem Programm. Auch soll ein eigener Gemüse und Kräutergarten angelegt und von den Familien reihum gepflegt werden. Zum Abschluss dürfen sich die Eltern auf ein Sechs-Gänge-Menü aus Kinderhand freuen.