Durch die Kombilösung soll ein Teil der Straßenbahnen in Karlsruhe in den Untergrund verlegt werden. Foto: dpa

Fast stand das Milliardenprojekt auf der Kippe. Doch nun geht der Stadtumbau in die nächste Phase. Ende 2021 hat die City ein neues Gesicht. Doch bis dahin bleibt Karlsruhe Stau- und Baustellen-Stadt.

Karlsruhe - Im Schatten der Bäume flanieren Fußgänger, Radfahrer treten in die Pedale, das ein oder andere Auto fährt durch die Allee, und dazwischen rollen Straßenbahnen auf Rasengleisen. Noch ist das eine Zukunftsvision für die Karlsruher Kriegsstraße. Derzeit brettern täglich an die 60 000 Autos über die teils sechsspurige Betonpiste der zweitgrößten Stadt Baden-Württembergs. In gut vier Jahren soll Schluss damit sein. Nach einigem Bangen und Hoffen wird Jahrzehnte nach den ersten Plänen an diesem Freitag (ab 11.00 Uhr) der erste Spatenstich zum Umbau der autobahnähnlichen Straße getan - es ist zugleich ein wichtiger Meilenstein für das Milliarden-Projekt, das der Karlsruher City ein neues Gesicht geben soll.

Durch die sogenannte Kombilösung - eines der größten Verkehrsprojekte in Baden-Württemberg - soll die Fußgängerzone das werden, was der Name verheißt: Ein Teil der dort im Minutentakt fahrenden Straßenbahnen wird in einem Tunnel darunter rollen, ein anderer Teil auf einer neuen Trasse der südlich verlaufenden Kriegsstraße. Diese wird zum Boulevard umgebaut, der Autoverkehr größtenteils unter die Erde verbannt. Damit soll die Lebensqualität, aber auch die Sicherheit deutlich verbessert werden. „Mit der neuen Stadtbahntrasse Kriegsstraße entsteht eine weitere attraktive ÖPNV-Achse durch die Stadt“, sagt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

Mini-Stuttgart-21 befürchtet

Seit Anfang 2010 wird an dem Mammut-Vorhaben gebaut. Mehr als einmal stand es auf der Kippe. Eine Verdoppelung der Kosten, die Pleite einer Baufirma, böse Überraschungen im Karlsruher Untergrund, Baustopps und daraus resultierende Verzögerungen - manche befürchteten schon ein Stuttgart 21 im Kleinformat. Zumal mitten im Bau plötzlich das Damoklesschwert in Form von Zweifeln des Bundesrechnungshofes über allem schwebte. Der hatte die Wirtschaftlichkeit vor allem beim Kriegsstraßen-Umbau und damit das gesamte von Stadt, Land und Bund finanzierte Projekt in Frage gestellt.

Nach mehr als sieben Jahren Bauzeit ist Licht am Endes Tunnels: Die sieben neuen unterirdischen Haltestellen sowie die Straßenbahntrasse unter der Fußgängerzone sollen bis Ende des Jahres größtenteils im Rohbau fertiggestellt sein - der Umbau der Kriegsstraße als Abschluss des Mega-Projekts bis Ende 2021. Nach dann gut zwölf Jahren soll für die Karlsruher endlich Schluss sein mit Lärm, Staub, Sperrungen, Umleitungen, Staus und Slalomfahrten um immer neue Baustellen.

Die Bauarbeiten kosten nicht nur Nerven: Seit Baubeginn musste die Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft (KASIG) 11,5 Millionen Euro Entschädigung leisten, an Anwohner oder Geschäftsleute, die über wirtschaftliche Einbußen klagen. Die Millionen-Klage eines Elektronikmarktes wies der Verwaltungsgerichtshof nun jedoch ab.

Doppelt so teuer wie geplant

„Karlsruhe 21“, wie Kritiker es in Anlehnung an das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 verspotten, wird voraussichtlich zwei bis drei Jahre später als geplant fertig. Für die Bauherren ist aber vorrangig, dass Berlin im vergangenen Herbst doch noch grünes Licht für den Weiterbau gab. „Das spornt uns an, das Gesamtprojekt zu einem guten Ende zu bringen“, sagt KASIG-Geschäftsführer Uwe Konrath. Für den Grünen-Verkehrsminister Hermann gibt es ohnehin angesichts des Baufortschritts zur raschen Fertigstellung „keine vernünftige Alternative“.

Die Kritik des Rechnungshofs, der auch das Projekt Stuttgart 21 kritisch sieht, war aus Sicht des ökologischen Verkehrsclubs Deutschland (VCD) dennoch mehr als berechtigt. Schließlich kommt das Karlsruher Projekt mit über einer Milliarde Euro doppelt so teuer wie ursprünglich geplant. Stuttgart 21 ist da noch drüber: Das Bahnvorhaben war 1995 mit geschätzten Kosten von 2,6 Milliarden Euro gestartet und liegt nun bei 6,5 Milliarden Euro; Gutachten sprechen gar von bis zu 10 Milliarden Euro.

Für VCD-Landeschef Matthias Lieb sind das Beispiele für die gängige Praxis des „Herunterrechnens der Kosten“ in Deutschland. „Man sollte bei künftigen Projekten ehrlicher kalkulieren und Kosten nicht kleinrechnen“, sagt er. Aus Sicht von Minister Hermann würde schon ein „frühzeitiges und besseres Controlling“ helfen.