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James Stavridis, Oberbefehlshaber der Nato, über Zukunft der Allianz und Afghanistaneinsatz.

Der US-Admiral lobt die Europäer für den Militäreinsatz am Hindukusch. Um militärisch relevant zu bleiben, müssten sie aber mehr Geld ausgeben. Und in seinem letzten Interview vor dem am Sonntag in Chicago beginnenden Nato-Gipfel verspricht er: Die enge Partnerschaft mit Europa bleibt. -


Kaiserslautern In der Nato wächst die Kluft zwischen den militärischen Fähigkeiten der USA und denen der Europäer weiter. Was taugen die europäischen Armeen überhaupt noch?
Wir haben in Afghanistan 90 000 US-Soldaten und rund 45 000 Soldaten, die nicht aus den USA kommen, fast alle aus Europa, die exzellente Arbeit verrichten. Die europäischen Soldaten dort gehören zu den besten ihrer Länder. Doch die Militärausgaben der Europäer schrumpfen und das ist besorgniserregend. Die Nato hat als Ziel, zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für das Militär auszugeben, doch nur ganz wenige Staaten halten sich daran. Der Abwärtstrend bereitet mir dabei aber noch mehr Kopfzerbrechen als der leicht unterschrittene Wert im Augenblick. Meine Botschaft an die europäischen Partner lautet deshalb, um weiter militärisch relevant zu bleiben: Erhöht die Verteidigungsausgaben etwas und versucht die Nato-Vorgabe, die sich die Europäer ja selbst gegeben haben, zu erfüllen.

Zeigt nicht die Libyen-Intervention, die ohne Unterstützung der USA gar nicht hätte stattfinden können, die Schwäche der Europäer?
75 Prozent dieses Einsatzes wurde von den Europäern getragen. Bestimmte Fähigkeiten, das Betanken in der Luft, die Zielplanung, Präzisionsmunition und Aufklärung kamen weitgehend aus den USA. Die Luftangriffe wurden aber in ihrer großen Mehrzahl von den Europäern geflogen und das Waffenembargo und die Seeblockade wurde zu 100 Prozent von den Europäern durchgeführt. Bei den Friedensmissionen auf dem Balkan sind es 90 Prozent. So ist das in einem Militärbündnis, es gibt eine Balance unter den Partnern, und meiner Meinung nach erfüllen die Europäer ihre Aufgabe im Rahmen der Nato-Operationen ziemlich gut.

Beim Nato-Gipfel in Chicago geht es um eine engere Zusammenarbeit bei Ausbildung, Rüstungsbeschaffung und Spezialisierung. Glauben Sie, die Europäer machen angesichts der Schuldenkrise endlich damit ernst?
Ja. Ich gebe Ihnen drei konkrete Beispiele: Das Bodenaufklärungssystem AGS, ein neues großes unbemanntes Fluggerät für acht Milliarden Euro, das gemeinsam angeschafft und genutzt wird wie die Awacs-Aufklärung. Bei den Luftpatrouillen im Baltikum müssen die baltischen Staaten keine Hochleistungsflugzeuge anschaffen, weil verschiedene Länder, auch Deutschland, den Schutz des Luftraums übernehmen. In Chicago geht es auch um eine engere Kooperation bei Hubschraubern und beim strategischen Lufttransport. Auch bei der europäischen Raketenabwehr kommen Komponenten verschiedener Staaten zum Tragen.

Apropos Europäisches Raketenabwehrsystem. Was ist denn das Europäische daran, außer den in die Jahre gekommenen deutschen Patriot-Raketen? Bisher sind es doch US-Kriegsschiffe, US-Radar und US-Abfangraketen.
Es stimmt: der Rahmen ist amerikanisch, und die Hardware stammt anfangs ebenfalls weitgehend aus den USA. Dieses Raketenabwehrsystem wird aber von Luftwaffensoldaten aus dem ganzen Bündnis betrieben. Zusätzlich zum Patriot- und auch zum Thad-System zu Lande sondieren die Niederländer und die Spanier eine Einbindung ihrer Schiffe in das Raketenabwehrsystem. Außerdem stellen die Europäer wie seit Jahrzehnten Stützpunkte und Logistik zur Verfügung.

Zum Krieg in Afghanistan: Schielt nicht jedes teilnehmende Land in diesem nicht zu gewinnenden Konflikt nur noch ungeduldig auf das Ende des Kampfeinsatzes im Dezember 2014?
Zuallererst: Das ist kein nicht zu gewinnender Krieg. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir den Übergang von koalitionsgeführten Operationen zu solchen, die von Afghanen geführt werden, bis Ende 2014 erfolgreich hinbekommen. 50 Prozent der afghanischen Bevölkerung lebt schon heute unter afghanischem Schutz. Gerade habe ich Papiere unterzeichnet, in denen ich empfehle, dass künftig 75 Prozent der Bevölkerung unter afghanischem Schutz leben sollen. 40 Prozent der Sicherheitsoperationen werden schon heute von afghanischen Kräften durchgeführt. Mit deren Fortschritten bin ich sehr zufrieden.