1,5 Millionen Menschen haben dieses Bild von Michael Fischer bereits gesehen. Foto:  

Der Rollstuhlfahrer Michael Fischer aus Degerloch braucht selbst für alltägliche Kleinigkeiten Hilfe. Seit es keine Zivis mehr gibt, gestaltet sich die Suche nach Helfern mehr als schwierig. Erst ein Facebook-Post brachte den ersehnten Erfolg.

Degerloch - Aus dem Bett aufstehen, sich die Zähne putzen, auf die Toilette gehen, in einen Bus einsteigen: Der Degerlocher Michael Fischer kann das nicht alleine. Seit einem Unfall 1986 und der damit einhergegangenen Verletzung seiner Halswirbelsäule ist der heute 55-Jährige querschnittgelähmt und damit auf ständige Hilfe angewiesen. Hilfe, die nicht leicht zu bekommen ist.

„Seitdem es keinen Zivildienst mehr gibt, ist es immer schwerer, Freiwillige zu finden“, sagt Fischer. 2014 versuchte er mit Plakataktionen in Schulen in Stuttgart auf sich und seine Situation aufmerksam zu machen. Als die nicht den gewünschten Erfolg brachten, warb er sogar an Schulen in Spanien mit Plakaten für die Dienststelle. Gerade noch rechtzeitig im Sommer fand Fischer Helfer – deren Dienst endet aber im September 2015.

Ein ehemaliger Assistent empfahl ihm, eine eigene Facebook-Seite einzurichten. Fischer fütterte diese Profilseite in dem sozialen Netzwerk regelmäßig mit Bildern, Karikaturen und Zeitungsartikeln – sogenannten Facebook-Posts. „Am Anfang ist die Seite nur so vor sich hingedümpelt“, sagt der 55-Jährige und lacht. Seine ehemaligen Zivis und Bundesfreiwilligendienstleistenden unterstützten ihn zwar und teilten die Posts wiederum mit ihren Freunden und Bekannten, der Erfolg blieb aber aus.

Bilderserie mit alltäglichen Situationen

Bei einem Feierabendbier mit dem Möhringer Mediendesigner Sebastian Heck, der selbst vor mehr als zehn Jahren seinen Zivildienst bei Michael Fischer abgeleistet hat und im Anschluss einen Kurzfilm über die Dienststelle drehte, überlegten die beiden, wie man die Facebook-Seite populärer gestalten könnte. „Wir überlegten uns, wie man einen möglichst großen Wiedererkennungswert schaffen könnte“, sagt Fischer. Die Idee: Eine Bilderserie über alltägliche Situationen, die Fischer ohne helfende Hände nicht bewältigen könnte. So steht er auf den Fotos nun vor einem mobilen Klohäuschen, einem Bus oder einer Telefonzelle, liegt im Bett, der Rollstuhl neben ihm, oder er verdurstet im Biergarten vor seinem vollen Glas.

Die ersten beiden Bilder fanden verhältnismäßig wenig Anklang. „Ich habe einfach zu viel Text darüber geschrieben“, sagt Fischer. Die Generation, die das Haus nicht ohne Smartphone verlässt, ließe sich einfach eher durch auffällige Bilder in den Bann ziehen, erklärt sich der Querschnittgelähmte die verhaltenen Reaktionen. Erst als er einen direkten Aufruf „Hilfe“ auf die Bilder schrieb, nahmen die Klickzahlen und damit die Summe derer, die das Bild angesehen haben, rasant zu.

1,5 Millionen sehen die Posts

„Wir haben eine richtige Lawine losgetreten“, sagt Fischer. Erst sahen 20 000 Menschen die eingestellten Bilder, dann innerhalb eines Tages 100 000 und nach zwei Tagen über 300 000. „Viele haben auch positive Kommentare geschrieben und dass sie mir Glück bei der Suche wünschen“, sagt der Degerlocher. Das Bild mit Fischer vor dem Bus erreichte sogar 1,5 Millionen Menschen. Aus ganz Deutschland, aber auch aus Schweden oder Thailand melden sich Facebook-Nutzer, die die Posts weiterverbreitet haben oder – und das freut Michael Fischer am meisten – ab September einen Bundesfreiwilligendienst bei ihm leisten wollen.

Mittlerweile haben sich so viele gemeldet, dass er die überzähligen Helfer weitervermitteln kann. „Ich sollte Kopfgeld verlangen“, sagt Fischer und grinst. Martin Beitinger, der Leiter der individuellen Schwerbehindertenassistenz der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart (Eva), profitiert von den Helfern: „Wir freuen uns sehr, dass Michael Fischer auf so ein großes Interesse stößt.“ Normalerweise sucht die Eva, der zuständige Pflegedienst, Helfer – Fischer ist selbst aktiv. „Wir haben Werbung für Freiwillige bei uns gemacht und nicht annähernd so eine Resonanz erzielt wie er. Ich denke, dass er als Privatmann mehr Vertrauen erweckt als wir als Organisation“, sagt Beitinger.

Momentan postet Michael Fischer keine neuen Aufrufe. „Anfänglich habe ich jeden einzelnen Kommentar beantwortet“, sagt er. Dafür habe er täglich mehrere Stunden aufgewendet. Ein lohnenswerter Aufwand, den er nächstes Jahr wieder betreiben wird, um genügend Helfer zu finden.

Mensch-Fischer im SWR from Michael Fischer on Vimeo.