Der 55-jährige Hamburger Michael Ammer, den man den „Partykönig“ nennt, mit seiner 28-jährigen Lebensgefährtin Laura Gockel bei ihrem Besuch in Stuttgart. Foto: 7aktuell.de | Oskar Eyb

Da jeder ein Fotohandy in der Tasche hat, ist bei Partys die Außendarstellung oft wichtiger als das Feiern. So sieht es Event-Veranstalter Michael Ammer. Protzen, wisse er nun, sei „albern“, sagt der „Partykönig“ bei seinem Besuch in Stuttgart.

Stuttgart - Sollte er irgendwann mal genug vom ewigen Feiern haben, will er seine Biografie schreiben. An Stoff, sagt Michael Ammer, 55, den seine Freunde „Michi“ nennen und Boulevardblätter den „Partykönig von Deutschland“, mangelt es ihm nicht.

Es gab ein Leben vor Facebook. Es war die Zeit, als das Selbstgeknipse der Menschheit fremd war. Als sich keiner mit der dicksten Wodka-Flasche oder der größten Silikonträgerin ins Netz stellen wollte. „In den 1990ern ist exzessiver gefeiert und gebaggert worden“, erinnert sich „Michi“, „da hat man sich nicht über Tinder zum Sex verabredet.“

In seiner Biografie könnte Ammer erzählen, wie ein Weltstar in Hamburg vor der After-Show-Party zur Begrüßung erst mal in sein Büro gepinkelt hat. „Wir mussten den Teppich austauschen, weil es so stank.“ Sein Kumpel Dieter Bohlen wird vorkommen, der ihn angefleht habe. „Michi“, habe dieser gesagt, „stell’ mir nie wieder eine Frau vor – das kostet mich sonst wieder ’ne halbe Million.“

„Michi“ hockt mittendrin und lacht am lautesten

Und vielleicht erwähnt der Klatschlieferant in seiner Biografie auch Stuttgart. Dass er skeptisch („mit Promis seid ihr nicht so gesegnet“) samt Entourage zu den Schwaben gereist ist. Dass er in der Stadt mit viel Geld, aber ohne Dschungelkönig am Ende begeistert war. Nein, er habe sich nicht vorstellen können, dass die Menschen hier ihre Partys gegen das Langweiler-Klischee bürsten.

Im H’ugo’s unweit des Hauptbahnhofs, wo Mister Party seine „Star Press Media Night“ mit dem Auftritt des Berliner Singer/Songwriters Cosmo Klein veranstaltet, jubelt dieser nicht nur über die gute Stimmung bis um 4 Uhr morgens in drangvoller Enge, auch die wirtschaftliche Seite scheint zu stimmen. Alle Plätze fürs Menü sind verkauft. Geld und Promis sind die Eckpfeiler seines Geschäftsprinzips. „Normale“ Menschen und Sponsoren zahlen, damit sie auf TV-Gesichter treffen, die freigehalten werden und ihrerseits zu PR-Zwecken fotografiert werden wollen. Partys im digitalen Zeitalter: Auch wenn das ständige Bedienen der Smartphones Pausen beim Feiern reißt, sind die Sponsoren glücklich übers Posten von Gäste-Selfies vor der Fotowand mit ihrem Logo.

Wer hat im H’ugo’s gefeiert? Hier geht’s zu den schönsten Bildern des Abends

Ammer ist kein Veranstalter, der im Nebenzimmer Geld zählt. Er hockt mittendrin und lacht am lautesten. Seine Freundin Laura Gockel, 28, amüsiert sich, wenn er von den blondesten Blondinen umgackert wird.

Das Klicken und Grinsen kennt kein Ende. Die Selfie-Sucht könnte ein Indiz dafür sein, dass sich viele nur um sich selbst drehen und dabei blind werden für Sorgen anderer.

Seit 16 Jahren, sagt er, kokst er nicht mehr

Eine Kordel zieht sich durchs Lokal. Leicht erhöht sitzen die VIPs im abgesperrten Bereich. Die zahlenden Gäste dürfen zu ihnen aufschauen. Die Models, die Outfits von Pia Bolte ohne Laufsteg präsentieren, indem sie hin und her stolzieren, sitzen extra. Für sie gibt es Pizza, nicht das Menü.

Dass der Promikumpel, der seit 30 Jahren meist den Norden rockt, nun Stuttgart ausgesucht hat, findet er logisch. „Früher“, sagt der Hanseat, war er „etwas protzig“. Dies habe sich geändert. Seit 16 Jahren kokse er auch nicht mehr „Grundsätzlich finde ich Protzerei inzwischen albern“, erklärt er. Und das, will er damit sagen, passt zu Stuttgart, wo man Reichtum am liebsten versteckt. Aber dennoch müsse es „bei Events krachen“, sonst sei es „für Medien uninteressant und den Leuten langweilig“.

Und langweilig ist es dem Mann in H’ugo’s nicht, den „Der Spiegel“ als „Kuppler der Partygesellschaft“ bezeichnet hat: Er versorge die Klatschpresse mit Material und helfe Gesichtern, prominent zu werden. Im Ammer-Reich sei „Wasser rarer als Champagner“ und „ein Blowjob eine andere Form von Handschlag“, schreibt das Nachrichtenmagazin. Die „Spiegel“-Redaktion könnte es wissen. Mit der Hamburger Zentrale ist sie nah dran am „Michi“.

Doch wir sind in Stuttgart. Hier rätseln die Fotografen. Wer Sendungen wie „Dschungelcamp“, „DSDS“ und „Germany’s Next Topmodel“ nicht schaut, tut sich schwer beim Identifizieren der aufgedonnerten Motive. Namensschilder sollten sie tragen! Es spricht sich herum, dass Dschungelcamperin Sarah Joelle Jahnel dabei ist, die angeblich gerade von einem „Freund“ krankhausreif geschlagen wurde. Warum man von den Verletzungen nichts sieht, erklärt sie mit ihrem „guten Make-up“.

Der Sohn von Art Garfunkel handelt mit Immobilien

Kim Hnizdo, Heidi Klums Topmodel-Siegerin von 2016, sagt, dass sie gern nach Stuttgart kommt, aber es schade findet, dass es keinen Fluss im Zentrum gibt. „Wasser ist gut für das Flair einer Stadt“, findet sie. Allein mit Ammer will sie sich nicht fotografieren lassen. Sonst könnten falsche Schlüsse gezogen werden. Aufs Foto muss auch noch ihr Begleiter mit drauf.

Art Garfunkel jr. hat die roten Haare und die helle Stimme seines Vaters, der Poplegende. Als Immobilienhändler zwischen Moskau und Berlin macht der 26-Jährige keinen Hehl daraus, dass Donald Trump zu seinen Vorbildern als Geschäftsmann zählt. Im Schlepptau von Ammer, dem Meister im Kontakteknüpfen, sieht man ihn bei Events in Deutschland. „Mit meinem Vater telefoniere ich jeden Tag“, sagt er. Der Senior suche ein Haus in der Schweiz, weil er nicht mehr in den USA leben wolle. Dessen Kasse klingelt wie seit Jahren nicht mehr, da „Sound of Silence“ in der Fassung von Disturbed für das millionenfache Runterladen auch des Originals gesorgt hat. Einem Unternehmer gefällt dies vielleicht noch mehr als die Musik. Und deshalb schließt er ein Comeback des Vaters mit Paul Simon nicht aus. Wär’ noch besser fürs Geschäft!

Ammer jubelt: „Stuggi hat gekocht!“

Die Zeit vor Facebook war Ammers wilde Zeit. Am Tag nach seiner Media Night postet er dort: „Stuggi hat gekocht!“ Wenn er über seine Schwabennacht spricht, klingt’s fast, als hätte er eine Zeitreise in seine jungen Jahren erlebt. Sollte der „Partykönig“ eines Tages seine Biografie schreiben, wird der Hamburger Club Trinity nicht fehlen. Früher hätten es dort seine Gäste „hinter den Säulen“ miteinander getrieben, erzählt er. Heute, da jeder ein Fotohandy besitzt, sei das nicht mehr möglich. „Michi“ bereut es nicht: „Dies würde ich nicht mehr spaßig finden.“

Die digitale Zeit bremst den Festrausch und dreht Partys. Trotzdem dürften die Ammer-Events auch in Zukunft spaßige Geschichten liefern. Haben sich die besten Anekdoten von einst überhaupt zugetragen? In Wahrheit aber gibt es noch viel schärfere Episoden, die der „König“ verschweigt.