Mexiko war von einem schweren Erdbeben erschüttert worden. Foto: AP

Es ist für Behörden und Medien kein Ruhmesblatt. Nach dem Erdbeben in Mexiko war von einem in einer eingestürzten Schule vermissten Mädchen namens „Frida Sofía“ die Rede – doch das Mädchen hat nie existiert.

Mexiko-Stadt - Millionen Menschen haben nach dem schweren Erdbeben in Mexiko vergeblich um die Rettung eines angeblich in den Trümmern einer eingestürzten Schule verschütteten Mädchens gebangt. Ein dort vermutetes Kind namens „Frida Sofiá“ gebe es nicht, sagte der Vizechef der Marine, Admiral Ángel Enrique Sarmiento. Die Marine koordinierte die Rettungsarbeiten an der Schule „Enrique Rébsamen“ in Mexiko-Stadt. „Wir haben eine Zählung zusammen mit der Direktion der Schule gemacht und haben Gewissheit“, sagte Sarmiento. Zuvor hatten Medien weltweit unter Berufung auf Helfer von dem Phantommädchen „Frida Sofía“ berichtet, das unter den Trümmern noch am Leben sei.

Unterdessen stieg die Opferzahl weiter: von 250 auf 273 Tote, wie das Innenministerium mitteilte. Davon starben allein in Mexiko-Stadt 137 Menschen. Mit Wärmebildkameras wird weiter versucht, mögliche Überlebende zu orten. Nach Angaben des Militärs könnte sich in der Grundschule „„Enrique Rébsamen““ statt des Mädchens noch eine erwachsene Frau in den Trümmern befinden. Bisher wurden dort aus den Trümmern der Schule nach neuen Angaben 19 tote Kinder und sechs tote Erwachsene geborgen, elf Personen konnten lebend gerettet werden.

In Mexiko hatten TV-Sender rund um die Uhr berichtet, Rettungskräfte und Marinsoldaten wurden interviewt. Immer wieder war bei Helfern von dem angeblich zwölf Jahre alten Mädchen die Rede. Die Geschichte verselbstständigte sich. „Frida Sofía“ wurde zum Symbol der Hoffnung, über zwei Tage nach dem Beben noch Überlebende in den Trümmerbergen zu finden. Allerdings gab es kein Mädchen mit dem Namen, das vermisst wurde. Helfer wollten aber Stimmen gehört haben, das Mädchen sei in einem Hohlraum eingeschlossen und nenne sich „Frida Sofía“, hieß es.

Zudem war die Rede davon, dass dort noch fünf weiter Kinder mit eingeschlossen sein könnten. Der Marine-Admiral José Luis Vergara, verantwortlich für die Arbeiten vor Ort, sagte: „Es gibt ein Mädchen im zweiten Stock des eingestürzten Gebäudes“. Bildungsminister Aurelio Nuño rief die Eltern auf, sich zu melden, weil niemand eine „Frida Sofía“ vermisste. Der TV-Sender Televisa, der live berichtete hatte, bat um Entschuldigung. „Die Informationen, die wir veröffentlicht haben, basierten auf den offiziellen Quellen.“

Für Millionen Schüler fällt vorerst der Unterricht aus

Auch für Staatspräsident Enrique Peña Nieto, dessen Politik nur noch von rund 20 Prozent der Bürger gutgeheißen wird, ist der Fall „Frida Sofía“ unangenehm. Statt einer heldenhaften Rettung und eines großen politischen Erfolgs auch für den Präsidenten werden nun Fragen laut, wer für die „Phantomgeschichte“ verantwortlich ist. „Frida Sofia war eine Erfindung Peña Nietos“, meinten Nutzer in sozialen Netzwerken.

Nach Einschätzungen von erfahrenen Rettungskräften können Menschen je nach Beschaffenheit von Hohlräumen bis zu 72 Stunden in Trümmern überleben, diese Spanne läuft im Laufe des Freitags ab. In Mexiko-Stadt konnten bisher 50 Personen lebend aus Trümmern geborgen werden. Das Beben der Stärke 7,1, hatte am Dienstag um 13.14 Uhr Ortszeit besonders Mexiko-Staat und die Bundesstaaten Morelos und Puebla getroffen, hunderte Gebäude sind beschädigt worden.

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit - aber auch ein eindrucksvolles Beispiel gelebter Solidarität. Zehntausende Mexikaner packen mit an, helfen beim Wegkarren von Schuttbergen, spenden Kleidung, Essen, Medikamente und Trinkwasser. Zum Symbol wurde die erhobene Faust von Rettern - ein Zeichen an alle Menschen an einer Hausruine, absolut still zu sein - kein mögliches Klopfzeichen soll überhört werden.

Das Beben hatte sich genau am Jahrestag des verheerenden Erdbebens vom 19. September 1985 ereignet. Damals starben nach Schätzungen bis zu 10 000 Menschen. Dass es dieses Mal nicht so schlimm kam, hängt auch mit deutlich verschärften Bauvorschriften gerade für Hochhäuser zusammen, die besser auf mögliche Erschütterungen und Schwankungen ausgerichtet werden müssen. Viele der nun eingestürzten Gebäude sollen vor 1985 gebaut worden sein. Außerdem gibt es in Mexiko regelmäßige Erdbebensimulationen und umfangreiche Katastrophenpläne.

Für Millionen Schüler fällt vorerst der Unterricht aus. Die Schulen werden auf Schäden untersucht, die Stromversorgung steht weitgehend wieder. Mexiko ist eines der erdbebengefährdetsten Länder. Das Land liegt am Pazifischen Feuerring, hier treffen zwei Platten der Erdkruste aufeinander. Durch Verschiebungen können Beben entstehen.