Frank Riedel (links) und Matthias Susenbeth beim Gerätebau Foto: Gottfried Stoppel

Um die Luftbelastung im Rems-Murr-Kreis ermitteln zu können, braucht es Messstellen, die bislang fehlen. Bei einem Workshop haben Teilnehmer nun eigene Geräte gebaut.

Waiblingen - Von diesem Samstag an ist in Stuttgart wieder Feinstaub-Alarm. Wie stark die Luft im Rems-Murr-Kreis belastet ist, weiß jedoch keiner so genau. Denn anders als in der Landeshauptstadt gibt es hier quasi keine Messstellen und somit keine Werte. Doch das ändert sich nun: Bei einem Workshop in Waiblingen hat Frank Riedel diese Woche rund 20 Teilnehmern aus dem ganzen Landkreis gezeigt, wie sie in wenigen Minuten eine eigene Messtation für zu Hause zusammenbauen können. Riedel engagiert sich in der Initiative OK Lab, die herausfinden will, wie stark die Feinstaubbelastung an verschiedenen Orten ist, und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen.

Abwasserrohre, Kabel, Sensor

Jetzt wird also gebaut: Auf dem großen Tisch im Waiblinger Büro der Grünen liegen Dutzende von gebogenen Rohren parat, wie sie jeder Baumarkt um die Ecke verkauft. Normalerweise fließt durch die grauen Plastikröhren schmutziges Abwasser, doch diese Exemplare dienen einem anderen Zweck: Paarweise zusammengesteckt bilden sie das wetterfeste Gehäuse, in dem die Bastler die Technik des Feinstaub-Messgeräts verstauen. Diese besteht im Wesentlichen aus dünnen Kabeln, sieben an der Zahl, einem fingerdicken Plastikschlauch für die Luftzufuhr, einem Minicomputer zum Preis von knapp drei Euro und einem Feinstaubsensor mit Ventilator. Letzterer sei das Ersatzteil einer japanischen Klimanlage, erklärt Frank Riedel: „Er misst die Feinstaubkonzentration und teilt der Anlage mit, wenn ihr Filter zu schmutzig ist.“

Das Messgerät Marke Eigenbau sei ziemlich zuverlässig, versichert Riedel seinen Mitbastlern – eine Vergleichsmessung mit professionellen Geräten habe „gute Ergebnisse“ gebracht. „Der Sensor hat einen Ventilator, der Luft ansaugt. Über eine Lichtschranke zählt er die Partikel.“ Die Messstationen der Stadt Stuttgart arbeiteten hingegen nach dem gravimetrischen Prinzip: „Die funktionieren wie ein großer Staubsauger, bei dem der Inhalt des Filters ausgeschüttet, gewogen oder gezählt wird.“

Das Feinstaub-Bermudadreieck liegt in Süddeutschland

Eine sehr teure und langwierige Angelegenheit: „Es dauert bis zu vier Wochen, bis ein Messwert ermittelt ist. Aktuelle Daten bekommt man so also nicht“, sagt Riedel. Deshalb müssten mehr Feinstaubmessgeräte Marke Eigenbau her, denn „wir brauchen mehr Daten.“ Sie werden über einen W-Lan-Chip am selbstgebauten Gerät an die Server des OK Labs geschickt, welche die Daten aufbereiten und beispielsweise Übersichtskarten erstellen. Je mehr Zahlen es gibt, desto besser. Eines aber ist laut Frank Riedel auch heute schon klar: „Die süddeutsche Ecke ist die schmutzigste in Deutschland.“ Stuttgart – Tübingen – Reutlingen bildeten ein regelrechtes „Feinstaub-Bermudadreieck“.

Wie sieht es da wohl zwischen Fellbach, Backnang und Schorndorf aus? Oder an der Ortsdurchfahrt von Rudersberg-Oberndorf? Eben dort wohnt Matthias Susenbeth, der gerade die letzten Handgriffe an seinem Feinstaub-Messgerät vornimmt. „Die Idee, durch Vernetzung bessere Daten zu bekommen und so herauszufinden, wo man ansetzen muss, finde ich gut“, sagt der Lehrer im Ruhestand. Den genauen Standort für sein Gerät muss er sich noch überlegen. „Zwischen 50 Zentimeter und 2,50 Meter Höhe aufhängen wäre toll“, meint Frank Riedel. Ein Wunschort wäre auch ein Hochhaus, denn „wir wissen noch nicht, wie weit der Feinstaub hinauf geht“. Ganz egal, wo das Gerät künftig hängt, rät Riedel: „Man sollte regelmäßig nachschauen, ob nicht ein Tier ins Rohr eingezogen ist.“

Daten sammeln und verbreiten

Idee
Das OK Lab (Open Knowledge Lab) Stuttgart ist eine rund zehnköpfige Gruppe, die das Ziel hat, ihr Umfeld positiv zu gestalten und die Arbeit von Verwaltungen und Behörden transparenter zu machen. Ein wichtiges Anliegen ist es, Daten zu sammeln und allen Bürgern zur Verfügung zu stellen. Derzeit liegt der Schwerpunkt auf Daten zum Thema Feinstaubbelastung der Umwelt.

Messung
300 Feinstaubsensoren für Stuttgart und die Region sind das Ziel, um herauszufinden, wie hoch die Belastung in der Fläche ist. Die Geräte werden in Workshops gebaut, einigermaßen technisch Begabte können die Sensoren selbständig nach einer Anleitung im Internet nachbauen, sie ist zu finden unter der Adresse http://luftdaten.info.

Termine
In Stuttgart findet an jedem zweiten Dienstag eines Monats von 19 Uhr an ein Sensor-Bauworkshop in der Ulmer Straße 255 statt.