Die Polizei hat das Reutlinger Döner-Lokal abgesperrt und nach Spuren untersucht. Foto: dpa

Die in Reutlingen mit einem Dönermesser getötete 45-jährige Polin wollte einen Neuanfang wagen. Sie hatte ihr kleines Zimmer in einer Pension erst vor Kurzem bezogen und recht schnell einen Job und auch eine Affäre begonnen.

Reutlingen - Z wei Siegel der Reutlinger Kriminalpolizei versperren den Zugang zu Zimmer Nummer 3. Hinter der weißen Tür hat nur wenige Wochen lang die 45-jährige Polin gewohnt, die am Sonntagnachmittag in der Reutlinger Innenstadt von einem 21-jährigen Asylbewerber mit einem Döner-Messer tödlich verletzt wurde. Eine Beziehungstat, ausgeführt von dem Mann, mit dem sie mehr verbunden hat als nur einen gemeinsamen Arbeitgeber – und der womöglich zur Tatzeit nur eingeschränkt zurechnungsfähig war. Es gebe Verdachtshinweise auf psychische Probleme, bestätigt die Polizei am Montag. Der Syrer wurde bereits kurz nach der Tat gefasst. Er war auf der Flucht in einen BMW hineingerannt. Am Montagnachmittag wurde er auf Antrag der Staatsanwaltschaft Tübingen vom zuständigen Haftrichter in eine Justizvollzugsanstalt eingewiesen.

„Die Frau war eine gute Mieterin, sie hat pünktlich bezahlt und immer gegrüßt“, sagt Lilioara Heisu, die in der Pension die Geschäfte führt und hinter dem Tresen der dazugehörigen Kneipe steht. In den Stockwerken darüber werden Zimmer vermietet, ohne Kaution, das macht das Wohnen in der Herberge zwischen Tübingen und Reutlingen so attraktiv. Mit wenig Gepäck, aber viel Hoffnung ist die 45-Jährige nach Deutschland gekommen. „Ich glaube, sie hat vier Kinder in ihrer Heimat, die sie versorgen wollte“, sagt Heisu, die immer mal wieder mit der Mieterin geredet hat. „Sie sprach ein bisschen Deutsch und ansonsten Englisch“, erinnert sich die Wirtin. Auch ihr Zimmernachbar, ein 48-jähriger Dachdecker, hat die kleine Frau gemocht. „Sie hörte immer Radio, war aber nicht oft da“, sagt er und nimmt einen Schluck von seinem Vormittagsbier. „Hier im Haus ist es ein Kommen und Gehen“, es sei nicht ungewöhnlich, dass man sich kaum kenne.

Die Schuldgefühle des Friseurs, der ihr den Job vermittelt

Die Arbeit in dem Reutlinger Kebab- Lokal hatte die Polin erst vor wenigen Wochen begonnen. Dorthin vermittelt hatte sie Cilo Bozkurt, der einen Friseurladen zwei Häuser neben dem Imbiss betreibt und dort auch Zimmer vermietet. „Sie suchte eine Wohnung, aber ich hatte nichts frei“, erzählt der Friseur, stattdessen habe er sie für den Job im Kebab-Restaurant empfohlen. „Ich fühle mich schuldig“, sagt Bozkurt und fragt sich, ob die „sympathische Polin, die viel jünger aussah als sie war“, noch leben würde, wenn er ihr nicht geholfen hätte.

Die Türen des Lokals, in dem sich der Syrer das Messer geschnappt und wenig später seine Arbeitskollegin tödlich verletzt hat, sind geschlossen. „Wir überlegen, ob wir ganz aufhören“, sagt Nihat Yildirim, der Onkel des Restaurantbesitzers. Der Schock in der Familie sei groß, der Täter habe nicht nur die Frau getötet, sondern auch fünf Menschen verletzt. „Wir sind alle traurig“, sagt Yildirim, der sowohl das Opfer als auch den Täter kannte. „Sie hatte eine Beziehung mit dem Syrer“, sagt der 46-Jährige, „dass sie schwanger war, halte ich für ein Gerücht.“ Der inzwischen vernehmungsfähige Syrer erinnert sich nach Angaben der Polizei nur lückenhaft an die Tat. „Aller Wahrscheinlichkeit nach gibt es keinen terroristischen, islamistischen oder religiösen Hintergrund“, sagt ein Polizeisprecher.

Die Mitbewohner des Syrers in der Reutlinger Asylunterkunft beschreiben den 21-Jährigen als aggressiv, aber nicht als fanatisch. „Mohamed hat nie gebetet oder die Moschee besucht“, sagt sein Zimmernachbar im zweiten Stock der Anlage. „Er hat viel Marihuana geraucht und Whisky getrunken, das war schlecht für ihn.“

Der beschuldigte Syrer erinnert sich nur lückenhaft an die Tat

Nur wenige Schritte vom Imbiss entfernt brennen ein paar Kerzen auf einem Treppenabsatz. In der Seitenstraße hat die Polizei die Leiche der Polin gefunden. „Wir wollten der Toten Respekt erweisen“, sagt die 13-jährige Sina, die dort mit zwei Freundinnen einen Rosenstrauß niedergelegt hat. „Man denkt, so etwas passiert nur in anderen Städten“, sagt Sina, „und plötzlich passiert es in Reutlingen.“