Daimler-Studie GLC-Coupé auf der Automesse in Schanghai: Sportliche Geländewagen sind in China – wie auch in Europa und den USA – sehr gefragt Foto: Daimler

China erweist sich für viele deutsche Autobauer weiter als Goldgrube. Doch die Kundenwünsche wandeln sich gerade. Gefragt sind neben den Luxusautos vor allem kleinere und günstige Geländewagen.

Schanghai/Stuttgart - Spärlich bekleidete Hostessen sind auf staatliche Anordnung von der Automesse in Schanghai seit diesem Jahr verbannt. Das Personal auf Chinas größter Fahrzeugschau mit rund 2000 Ausstellern aus 18 Ländern kommt züchtig daher. Und irgendwie passt dies zur Stimmung. Die wilden Zeiten sind vorbei, die zweistelligen Wachstumsraten der Wirtschaft gehören der Vergangenheit an. Es ist viel von der „neuen Normalität“ die Rede.

Für die deutschen Autobauer bedeutet das keineswegs, dass die Aussichten schlecht sind. Wer auf den zumeist verstopften Straßen Schanghais die Augen offenhält, sieht viele deutsche Modelle – allen voran VW, aber auch Audi, Mercedes und BMW sind gut vertreten. Der Marktanteil deutscher Marken beträgt laut Verband der Automobilindustrie rund 23 Prozent – das ist nahezu jedes vierte Auto. Und weil die Verkäufe bereits auf einem beachtlichen Niveau sind, bedeuten auch geringere Zuwächse eine Menge mehr verkaufter Autos. Für das Gesamtjahr 2015 rechnet der VDA mit 19,5 Millionen Neuwagen in China, ein Plus von sechs Prozent. Damit ist China inzwischen der weltweit mit Abstand größte Einzelmarkt vor den USA.

Umlagert sind auf der Messe, die bis 29. April dauert, vor allem die deutschen Premiummarken. Daimler präsentiert in Schanghai das GLC-Coupé als Konzeptauto. Der Geländewagen, der auf dem für Herbst angekündigten Nachfolger des GLK basiert, wird nicht nur Theorie bleiben. Er zeigt die neue Formensprache der SUV und dürfte im Frühjahr 2016 auf den Markt kommen. Zusammen mit dem GLA, der seit wenigen Wochen in China vom Band läuft, ist Mercedes bei den Geländewagen gut aufgestellt. Wie überall auf der Welt sind diese auch in China besonders stark gefragt. Daimler-China-Vorstand Hubertus Troska bekräftigte das Ziel, mit Mercedes auch in diesem Jahr zweistellig zu wachsen. „Das Potenzial ist da.“

Ähnlich gut sind die Aussichten bei BMW. Vertriebschef Ian Robertson kündigte an, die Modellpalette lokal produzierter Fahrzeuge deutlich auszubauen. Auch die Münchner reagieren und wollen neben dem X1 mindestens einen weiteren Geländewagen an den Start bringen, um vom SUV-Boom zu profitieren. Audi hat den nagelneuen Q7 im Gepäck. Er kommt in China auch als Plug-in-Hybrid auf den Markt. Die Kombination von Verbrennungsmotor und aufladbarer Batterie reduziert nicht nur den Schadstoffausstoß. Mit einer rein elektrischen Reichweite von 50 Kilometern locken Subventionen und eine Bevorzugung bei der in China begrenzten Ausgabe der begehrten Nummernschilder.

Deutlich bescheidener ist die Stimmung bei VW. Das liegt nicht nur daran, dass Konzernlenker Martin Winterkorn seine Teilnahme nach den Streitigkeiten mit Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch wegen eines grippalen Infekts kurzfristig abgesagt hat. Vielmehr konnten die Marken des Konzerns im ersten Quartal in China mit zwei Prozent nur noch leicht wachsen, die Kernmarke VW rutschte sogar ins Minus. Auch in China offenbart sich das VW-Problem. Zwar wird dort mit dem C-Coupé GTE eine imposante Studie vorgestellt, die das neue Design von Volkswagen zeigen soll. Außerdem haben die Wolfsburger ihren Klassiker Santana, der vor allem bei Taxifahrern beliebt ist, überarbeitet. Ob dies reicht, ist jedoch fraglich.

Einen Boom erleben derzeit kostengünstige Gelände- oder Mehrzweckwagen, die auch auf weniger ausgebauten Straßen zum Einsatz kommen können. Die sucht man bei VW vergeblich. „In den Segmenten sind wir nicht drin“, sagt Jochen Heizmann, China-Chef von VW. „Umso dringender ist es, dass wir uns mit diesen Teilbereichen befassen.“

Das wiederum haben die chinesischen Hersteller wie BYD, Haval, MG oder Geely getan. Dank vieler neuer Modelle feiern diese ein kleines Comeback. „Insgesamt fängt man an, über die chinesischen Hersteller zu sprechen – bisher standen sie als eine Art Aschenputtel am Rande“, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Jetzt solle mit kleinen, preisgünstigen SUV endlich eine Trendumkehr geschaffen werden. Das ist auch bitter nötig. Denn zumindest auf den Straßen Schanghais waren chinesische Autos in den vergangenen Jahren kaum mehr zu sehen.