Elektromobilität geht nicht nur Autohersteller an, sondern auch Versorger wie die EnBW, die die Infrastruktur errichten müssen. Foto: Agah

Das elektrische Fahren steht im Fokus einer Fachmesse in Stuttgart. Die Branche gibt sich optimistisch. Nach dem Erfolg von Tesla haben die hiesigen Autobauer zur Aufholjagd angesetzt – nicht nur verbal, sondern auch bei den Verkaufszahlen.

Stuttgart - Den deutschen Autoherstellern wird häufig vorgeworfen, sie hätten den Einstieg in die Elektromobilität verschlafen. Tatsächlich war etwa der US-Pionier Tesla mit seinem batteriebetriebenen Model S deutlich schneller als Audi, Daimler oder BMW. Doch mittlerweile haben die hiesigen Autobauer zur Aufholjagd angesetzt – nicht nur verbal, sondern auch bei den Verkaufszahlen. „Fast jedes zweite Elektrofahrzeug, das derzeit in Westeuropa zugelassen wird, stammt aus deutscher Produktion“, sagte der Vorsitzende der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE), Henning Kagermann, am Montag bei der Eröffnung der EVS 30 in Stuttgart.

Hinter dem Kürzel, das an einen früheren baden-württembergischen Energieversorger erinnert, verbirgt sich die 30. internationale Fachausstellung für Elektromobilität, die noch bis zu diesem Mittwoch dauert und Experten und Aussteller aus mehr als 50 Nationen zusammenbringt. Der Ausbau der Elektromobilität sei ein entscheidender Bestandteil der nötigen Verkehrswende, sagte Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).

Es geht um die Zukunft des Automobilstandorts

Zugleich gehe es um die Zukunft des Automobilstandorts. Das Land habe in den vergangenen Jahrzehnten gut vom Verkauf von Autos gelebt, „die weltweit gefragt sind. Aber sie sollen auch in zehn oder 20 Jahren noch gefragt sein“, sagte Hermann mit Blick auf steigende Umweltschutzanforderungen in vielen Ländern. Die Elektrifizierung der Mobilität sei ein „disruptiver Prozess“, der immer schneller voranschreite, sagte der Präsident des weltweiten Elektroautoverbands WEVA, Espen Hauge. „Wer einmal ein Elektroauto gefahren ist, will nicht mehr zu einem konventionellen Fahrzeug zurück“, meint der Branchenvertreter.

Auch Kagermann glaubt, „dass der Hochlauf der Elektromobilität etwas exponentieller sein wird als erwartet“. Dass die Zulassungszahlen für 2017 bis jetzt unter den Prognosen der Nationalen Plattform liegen, bremst seinen Optimismus nicht. Nach den neuesten verfügbaren Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes wurden im August gut 2200 batteriebetriebene Elektroautos und 3100 Plug-in-Hybride mit zusätzlichem Verbrennungsmotor neu zugelassen. Die NPE war laut Kagermann von einer Gesamtzahl von 10 000 Stromern beider Kategorien ausgegangen. Trotzdem zeige der Trend klar nach oben. Zwischen 2020 und 2030 sei ein großer Schub zu erwarten, sagte Kagermann.

Positive Planzahlen der Autobauer

Er beruft sich dabei auch auf Planzahlen der Autobauer, die 2025 bei den Neuzulassungen zwischen 15 und 25 Prozent Elektroautos erwarteten. „Bei 20 Prozent wären es 800 000 Fahrzeuge im Jahr“, rechnet Henning Kagermann vor. Wenn es so kommen sollte, würde das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung von einer Million Elektroautos auf deutschen Straßen erreicht – wenn auch etwas später als im ursprünglich anvisierten Jahr 2020.

Entscheidend für die weitere Entwicklung seien der forcierte Ausbau schneller Ladestationen – die teilweise noch dünn gesät sind – und höhere Reichweiten von bis zu 500 Kilometern. Angesichts weiter sinkender Batteriepreise könnten Elektroautos 2025 vielleicht schon zu ähnlichen Preisen wie konventionelle angeboten werden, meinte Kagermann.

Nicht nur ein Thema für Autohersteller und Zulieferer

Die Ausstellung zeigt auch, dass Elektromobilität nicht nur ein Thema für Autohersteller und Zulieferer ist. Mindestens ebenso wichtig sind etwa Stromversorger wie die EnBW, ohne die der Ausbau der Ladeinfrastruktur nicht funktionieren wird. Um das Netz nicht zu überlasten und erneuerbare Energien sinnvoll einzubinden, braucht es zudem intelligente Software. Weitere Themen sind das vernetzte und autonome Fahren oder neue Mobilitätskonzepte. Und natürlich sind an manchen Ständen auch Autos zu sehen – etwa ein knuffiger, mit Synthetik-Flokati ausgeschlagener Elektro-Zweisitzer von Mahle oder ein 7,5-Tonner von Fuso mit 100 Kilometer Reichweite für Transporte im städtischen Umfeld. Daimler zeigt den GLC F-Cell, der mit einer Brennstoffzelle emissionsfrei fährt und Wasserstoff tankt.

Potenzial auch bei elektrischen Bussen

Potenzial sehen die Fachleute auch bei elektrischen Bussen, die lokal emissionsfrei fahren. „Wir müssen da was tun“, sagte Hermann mit Blick auf drohende Fahrverbote wegen hoher Schadstoffwerte. Allerdings setze man bei Umstellung der Busflotte der Stuttgarter SSB zunächst auf Hybridfahrzeuge. Deutsche Hersteller könnten erst in zwei Jahren reine Elektrobusse liefern. „Das Bewusstsein ist da weiter als die Wirtschaft“, sagte der Minister.